Finanzen Job

Mehr Geld für Wechselwillige? Fragen die man als Bewerber stellen sollte

Der klassische Bewerbungsprozess hat immer mehr ausgedient. Die Zeiten, in denen man seine Unterlage, Zeugnisse, Lebenslauf und nicht zu vergessen das Anschreiben als dickes Packet, womöglich sogar noch in Papierform, beim Unternehmen einreicht und dann erst mal wochenlang auf Rückmeldung warten darf, sind definitiv vorbei.

Die Hersteller von Bewerbungsmappen sind darüber wahrscheinlich nicht besonders glücklich. Aber Evolution gibt es halt nicht nur in der Natur.

Doch nicht nur das Format der Bewerbung hat sich Dank Digitalisierung verändert. Der gesamte Prozess ist deutlich schneller geworden, wer sich zu viel Zeit lässt, lässt Chancen verstreichen – vor allem auf Seite der Unternehmen.

Was sich ebenfalls geändert hat, ist das Machtverhältnis. Saßen früher die Unternehmen am längeren Hebel und konnten aus einer Vielzahl von Bewerbern wählen, hat sich das Blatt heute nicht nur dank Fachkräftemangel zu Gunsten der Bewerber gewendet. Viele Unternehmen tun sich schwer, neue Stellen zu besetzen. Die Konkurrenz ist groß und der Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte ist hart.

Doch nicht nur das Klima auf dem Arbeitsmarkt hat sich verändert. Auch das generelle Mindset vieler Unternehmen und moderner Führungskräfte ist ein anderes. Die verstaubten Ansichten steinzeitlicher Führung sind längst überholt, was sich auch im Bewerbungsgespräch deutlich zeigt. Es geht nämlich nicht mehr nur darum, dass sich der Jobsuchende beim Unternehmen bewirbt. Auch das Unternehmen selbst bewirbt sich umgekehrt beim potentiellen Kandidaten.

Das bedeutet aber auch, dass man sich für das Interview entsprechend vorbereiten sollte. Wer keinerlei Fragen hat, hat womöglich keinerlei Interesse an der ausgeschriebenen Position. Zumindest legt solch ein Verhalten diese Vermutung nahe und man lässt sich eine wichtige Chance entgehen, das Unternehmen, die Vorgesetzten und / oder die Aufgabe besser kennenzulernen. Aus der Sicht eines Personalverantwortlichen hinterlässt es womöglich sogar einen negativen Eindruck, wenn man überhaupt keine Fragen stellt.

Normalerweise ist auch Zeit für Bewerberfragen eingeplant, man sollte also keine falsche Scheu an den Tag legen. Doch um wirklich etwas über Anstellung, Firmenkultur oder Arbeitsklima zu erfahren, sollte man sich vorher genau überlegen, welche Fragen man stellen möchte – und welche Antworten zu einer Zu- oder Absage führen würden.

Kriterien

Im ersten Schritt sollte man für sich festlegen, welche Kriterien für einen selbst wichtig sind. Warum will man eigentlich wechseln? Was passt im jetzigen Umfeld nicht, was muss sich unbedingt ändern, was ist für die eigene berufliche Zukunft wichtig?

  • Wertschätzung und ein respektvoller, empathischer Umgang – toxisches Arbeitsumfeld mit cholerischen Vorgesetzen
  • Mehr Geld – Angemessene Bezahlung ist nicht immer selbstverständlich und ein nachvollziehbarer Grund, sich nach einer besseren Stelle umzusehen. Klar, Geld alleine ist nicht alles. Aber kein Geld ist halt auch nix.
  • Mehr (Eigen-)Verantwortung – Nicht immer gibt es innerhalb des aktuellen Unternehmens die passenden Karrieremöglichkeiten, dann wird es Zeit, sich außerhalb umzuschauen.

Wenn sich ein Unternehmen bei euch bewirbt

Haben Sie noch Fragen zu dem, was ich Ihnen bis hierher erzählt habe oder zu Stationen in meinem Lebenslauf, die ich an dieser Stelle klären kann?

Bevor man mit seinen eigenen Fragen startet, sollte man dem Gegenüber die Gelegenheit geben, Unklarheiten auszuräumen.

Handelt es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um eine neue Position oder eine Nachbesetzung?

Bei ersterem wäre es interessant zu wissen, wie die Position entstanden ist. Und bei letzterem, warum man sich getrennt hat? Gibt es Aufstiegschancen, was sind die Erwartungen an eine Neubesetzung und welche Herausforderungen sind mit der Aufgabe verbunden?

Auf welche Ziele und Herausforderungen fokussiert sich Ihr Unternehmen aktuell, und wo sehen Sie Verbesserungspotential?

Geradeheraus nach Problemen zu fragen, mag manchem etwas forsch erscheinen. Doch mit dieser respektvollen Art zu Fragen, zeigt man eben auch, dass man Interesse am Unternehmen hat. Und die Antwort offenbart auch, wie das Unternehmen mit Problemen umgeht. Und sie sagt einiges über die Persönlichkeit des Interviewenden aus.  Bevor man eine Stelle annimmt, sollte man eine Vorstellung davon haben, welche Defizite es in der Firma gibt – oder beim potentiellen neuen Vorgesetzen.

Und was sind die Herausforderungen der ausgeschriebenen Position im Speziellen?

Es gibt keine? Das ist unwahrscheinlich, hier ist Vorsicht geboten.

Wo möchte sich Ihre Abteilung / Ihr Unternehmen in den nächsten 2-5 Jahren hin entwickeln?

Hier geht es nicht darum, den Spieß herumzudrehen. Die Frage zeigt, ihr sucht (hoffentlich) nach einer Position mit guten Zukunftsaussichten und beabsichtigt, lange im Unternehmen zu bleiben.

Wie würden Sie aus Sicht der Mitarbeiter die wichtigsten Werte der Firma beschreiben?

An der Antwort lässt sich oft leicht ablesen, wie wichtig der Firma Zufriedenheit und Wohlbefinden ihrer Angestellten ist. Welche Philosophie das Unternehmen im Bezug auf diese Themen verfolgt, lässt auch Schlüsse auf das spätere Arbeitsklima zu. Vorausgesetzt natürlich, dass die Frage ehrlich beantwortet wird.

Was mögen Sie an Ihrer Arbeit hier?

Abgesehen davon, dass Menschen es mögen, über sich selbst zu reden, erhält man so einen noch tieferen Einblick in die Unternehmenskultur. Neben den wichtigen Aspekten der ausgeschriebenen Stelle sind eben auch Themen wie Teamwork, Zusammenhalt, Wertschätzung oder Flexibilität von Belang. Mit dieser Frage erhält man im Idealfall die Sichtweise eines „Insiders“ zu genau diesen Punkten.

Falls Sie mich einstellen, welches wären die wichtigsten Ziele, die ich in den ersten 3-6 Monaten erreichen sollte?

In der Regel sind an jede offene Stelle bestimmte Erwartungen geknüpft. Je genauer man diese kennt, umso leichter kann man beurteilen, ob man für die Rolle geeignet ist. Und wenn der Gegenüber gar nicht mehr aufhört, Ziele aufzuzählen, kann man sich schon vorstellen, wie ein „typischer Tag“ im Unternehmen aussieht.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag in diesem Team aus?

Hat man eine möglichst genaue Vorstellung davon, was einen im Arbeitsalltag erwartet, kann man besser entscheiden, ob die Stelle geeignet ist oder nicht. Trifft sich das Team täglich zum Kaffee oder gibt es viele regelmäßige Besprechungen, ist man als Eigenbrötler womöglich anderswo glücklicher.

Was erwarten Sie sich von mir und meinen Fähigkeiten, was dem Team aktuell fehlt?

Wer erwartet, sein Können in einem bestimmten Bereich auszubauen, indem er von einem Experten lernen kann, findet sich womöglich selbst unerwartet in der Rolle des Experten wieder. Es schadet also nicht, die eigene Qualifikation mit den Erwartungen abzugleichen.

An welchen Zielen wird meine Leistung gemessen?

Schwammig formulierte Ziele sind einerseits schwer zu erreichen, andererseits ist die Zielerreichung dann auch Auslegungssache. Klare Aussagen, messbare Kennzahlen und umsetzbare Aufgaben gewährleisen eine faire Beurteilung der eigenen Leistung.

Welche beruflichen Weiterbildungsmöglichkeiten bestehen in Ihrem Unternehmen?

Wer beabsichtigt, nur Dienst nach Vorschrift zu leisten, kann diese Frage natürlich überspringen. Wer seine Fähigkeiten ausbauen und erweitern möchte, sollte an dieser Stelle genau nachfassen, welche Angebote und Möglichkeiten es gibt. Kaum ein Arbeitgeber wird einem Bewerber diese Frage negativ auslegen, schließlich demonstriert sie Eigeninitiative und Motivation.

In welchem Rahmen gestattet die Firma ihren Mitarbeitern Gehaltserhöhungen?

Oft wird man als Bewerber nach dem eigenen Wunschgehalt gefragt. Im Idealfall hat man sich vorher über branchenübliche Gehälter informiert und kann einen realistischen Betrag nennen. Allerdings ist es oft so, dass langjährige Mitarbeiter schlechter bezahlt werden, als Neueinsteiger. Einerseits, weil diese besser verhandeln und der Wettbewerb um gute Arbeitskräfte aber auch die Gehälter steigen lässt. Andererseits sehen die Unternehmen oft keinen Grund, „unnötig“ mehr Geld auszugeben. Dass es wesentlich teurer ist, einen neuen Mitarbeiter zu suchen und einzuarbeiten, als bestehende Leistungsträger zu halten, ignorieren manche Arbeitgeber leider.

Generell muss ein Job in der Regel auch finanzielle Rentabilität bieten. Wenn man langfristig  in einem Unternehmen bleiben möchte, reicht Spaß bei der Arbeit alleine nicht aus. Ein wettbewerbsfähiges Gehalt gehört ebenso dazu und damit das so bleibt, muss es eben auch Möglichkeiten der Anpassung geben. Da ist es alles andere als zielführend, das sensible Thema Geld im Vorstellungsgespräch zu umschiffen.

Wie viele Arbeitsstunden pro Woche sind vertraglich festgelegt, bzw. werden erwartet?

Wer auf Flexibilität angewiesen ist, etwa weil er nachmittags die Kinder von der Schule abholen muss, sollte von Anfang an ehrlich und transparent damit umgehen. Das Thema zu unterschlagen, aus Angst faul zu wirken, ist nicht zielführend. Wird in der ausgeschriebenen Position eine bestimmte Stundenanzahl pro Woche erwartet und man kann das nicht leisten, vergeudet man nur unnötig Zeit und Energie – sowohl die der Personalverantwortlichen als auch die eigene.

Gibt es eventuell noch Bedenken bezüglich meiner Qualifikation?

Durch diese Rückfrage erhält man schon einen ersten kurzen Überblick über das eigene Abschneiden im Interview. Und hat man die wertvolle Gelegenheit, Zweifel direkt auszuräumen während man noch die volle Aufmerksamkeit des Interviewers genießt. Auch kann man an dieser Stelle zeigen, dass man selbstbewusst und offen mit Feedback umgehen kann.

Wie sieht der Onboarding Prozess für neue Mitarbeiter aus?

Auf den ersten Blick trivial, aber nicht in jedem Unternehmen macht man sich darüber überhaupt Gedanken. Und die Unterschiede sind immens. Mancherorts wird man direkt ins eiskalte Wasser geworfen. In anderen Firmen wiederum darf man die ersten Wochen bis Monate überhaupt nichts machen außer Dokumente zu lesen. Eventuell sind auch Schulungen erforderlich. Auch gibt es manchmal einen Paten, der einen bei der Einarbeitung unterstützt,  oder eben nicht.  

Gibt es noch eine Frage, die ich aus Ihrer Sicht unbedingt stellen sollte? 

Bzw. gibt es noch etwas, das ich über diese Stelle wissen sollte, worüber wir noch nicht gesprochen haben? Vielleicht plaudert der Gegenüber noch ein bisschen aus dem Nähkästchen oder man erfährt tatsächlich noch wichtige Informationen. Ansonsten eignet sich die Frage hervorragend, das Gespräch zum Abschluss zu bringen.

Wie viel Zeit benötigen Sie, um eine Entscheidung zu treffen? Wann kann ich mit einer Rückmeldung rechnen?

Generell möchte man dem Personalverantwortlichen ja nicht auf die Nerven gehen, indem man sich jeden Tag telefonisch nach dem Stand des Bewerbungsprozesses erkundigt. Das hätte schon nichts mehr zu tun mit „Interesse zeigen“. Daher ist es hilfreich einen Zeithorizont zu haben, auch um im Zweifelsfall zu wissen, wann es sinnvoller ist, sich nach etwas Anderem umzuschauen.

Grundsätzlich gilt, ein gutes Vorstellungsgespräch ist eine Begegnung auf Augenhöhe. Fühlt man sich nicht wohl, wird man womöglich wie ein Bittsteller behandelt oder weiß der Interviewer nicht einmal, auf welche Position man sich gerade bewirbt, sind das recht eindeutige Alarmsignale. In dem Fall sollte man auch auf sein Bauchgefühl hören. In jedem Fall sollte man sich trauen, spezifische Fragen zu stellen, es geht immerhin um die eigene Zukunft.

Nicht vergessen: Mit klugen Fragen kann man Eindruck hinterlassen.

4 thoughts on “Mehr Geld für Wechselwillige? Fragen die man als Bewerber stellen sollte

  1. Eine schöne Zusammenstellung von Fragen, die jedem Bewerber bei der Vorbereitung helfen! Besonders gut gefällt mir auch die Frage nach den wichtigsten Unternehmenswerten, die jeweilige Antwort zeichnet bestimmt ein gutes Bild von der Stimmung in der Firma

    1. Die Werte sind das Eine. Ob sie auch gelebt werden, das Andere. Daher finde ich es auch sehr interessant, warum jemand selbst gerne im Unternehmen arbeitet. Da merkt man schnell, ob es ehrlich ist oder nur Plattitüden runtergebetet werden.

  2. Sehr treffend und sehr gut geschrieben. Gut bei mir stellt sich die Frage nicht mehr. Eher nur noch wie komm ich da schnell und ohne große finanzielle Einbußen – kurz vor Rente – raus. Die Atmosphäre ist mehr wie toxisch. Denn die Fluktuation ist sehr groß die Babyboomer bleiben weil ja so erzogen, die jungen schnallen es und gehen meist nach ein oder zwei Jahren, wenn sie die Probezeit überleben also von sich aus schon sehen das war ein Fehlgriff.

    Wobei so ein netter kleiner Teilzeitjob in einem tollen Team/Chef und Wetschätzung hätte auch mit Ü60 noch was.

    1. Danke für dein Feedback. Schade, dass es bei dir so gar nicht angenehm zuzugehen scheint. Dabei verbringt man ja oft mehr Zeit mit den Kollegen, als mit der eigenen Familie. Ich wünsche dir die Kraft zum Durchhalten oder die Chance für eine positive Veränderung!

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