Haus und Garten Minimalismus

Tod dem Nippes!

Die Rechnung geht kinderleicht, je weniger ich in meinem Haushalt horte, desto weniger muss ich pflegen, aufräumen und putzen. Ein simples aber sehr anschauliches Beispiel ist die Sammlung an Deko, seien es Vasen, Stofftiere, Modellautos oder was auch immer Spaß macht. Egal, ob die Sammelleidenschaft sich auf ein Regalbrett beschränkt, in einer eigenen Vitrine Platz findet oder bereits sämtlichen Wohnraum erobert hat. Wenn die geliebten Schätze nicht regelmäßig entstaubt werden, wird es schnell unansehnlich.

Doch auch wenn nicht gerade das Sammelfieber sämtliche freien Stellflächen Stück für Stück vereinnahmt, kaum hat man einen freien Raum, wird er in der Regel mit irgendwas befüllt. Es scheint, dass wir Menschen mit Leere nicht sonderlich gut klarkommen. Wobei gerade diejenigen, die erfolgreich ausgemistet haben, ganz euphorisch über den gewonnenen Raum und die leeren Flächen erzählen.

Hat man erst mal Blut geleckt und festgestellt, wie leicht sich eine freie Oberfläche sauber halten lässt, wird man zum Bluthund. Alles, was die Mitbewohner auf der einladenden Fläche so ablegen, wird unmittelbar moniert. Wer selbst nicht putzt, mag das Verhalten überzogen und pingelig finden. Und genau da sollte man ansetzen. Denn wer unbedingt seine Sammlung an exotischen Bierdosen auf der Anrichte zur Schau stellen möchte, soll sie gefälligst samt zugestellter Oberflächen auch selbst reinigen.

In unserer Wohlstandsgesellschaft ist das Sammeln und Horten von bestimmten Dingen eine ideelle Beschäftigung, die keinesfalls lebensnotwendig und nur selten nützlich ist. Vor allem die Nachkommen sind meist völlig überfordert mit dem Berg an angehäuften Dingen. Meist hat das ganze nur einen ideellen Wert für den Sammelnden aber keinerlei monetären für diejenigen, die das ganze dann erben. Wenn nicht gerade ein Museum Bedarf und Interesse anmeldet, landet oft die komplette Sammlung einfach auf dem Müll.

Wer seine Sammelleidenschaft frönt, muss sich also darüber klar sein, dass im Falle des eigenen Ablebens alles in der Tonne landet.

Das ist die CD- und Plattensammlung, die in Zeiten von MP3 und Streaming-Diensten ihren Zenit überdauert hat. Liebhaber für die komplette Sammlung finden sich selten und oft sind die guten Stücke kaum noch ein paar Cent wert. Der Verkauf (z.B. über Ebay, Momox oder Rebuy) ist mitunter zeitaufwendig und lohnt sich kaum.

Sehr beliebt waren lange Zeit auch Ü-Ei-Figuren. Die kleinen bunten Plastikungetüme, die nicht nur in Kinderzimmern ganze Setzkästen gefüllt haben, haben heute längst nicht mehr diese große Fangemeinde und sind meist völlig wertlos. Dennoch trennen sich viele nur ungern von ihren als Kind mühselig zusammengetragenen Kollektionen. Könnte ja doch noch irgendwann mal etwas wert sein.

Plastik ohne Ende

Geschenkte Deko ist auch so ein Graus. Selten trifft der Schenkende den Geschmack des Beschenkten. Oft kümmert er sich aber auch gar nicht um den Stil oder die Bedürfnisse des so liebevoll Bedachten sondern verschenkt, was selbst gefällt. Besonders egoistisch ist das Verschenken von Selbstgebasteltem. Wer als Erwachsener ein Handarbeits-Hobby pflegt und nicht weiß wohin mit dem ganzen Mist, lädt diesen gerne als gutgemeintes Präsent getarnt bei seinen Mitmenschen ab. Wer, trotz explizit geäußertem Wunsch, Geschenke zu unterlassen, mit Häkeldeckchen, Stickbildern oder andere Deko-Staubfängern bedacht wird, sollte diese ohne schlechtes Gewissen einfach entsorgen. Wer hingegen solche Aufmerksamkeiten auch noch so platziert, dass der Täter sie bei jedem Besuch bewundern kann, wird sich auch weiterhin über einen nicht abreißenden Strom solcher Geschenken freuen dürfen. Der Hobby-Kreative hat ja nun endlich ein dankbares Opfer gefunden…

Die Briefmarkensammlung ist der eher leise und heimliche Vertreter der Sammelleidenschaften. Ordentlich in ein Album geklebt, nimmt das Ganze kaum Platz ein und versteckt sich erfolgreich in irgendeinem hinteren Winkel im Schrank. So ein Album aus Kindertagen meines Mannes liegt bei uns auch noch rum und wie mit den Ü-Ei-Figuren ist es auch hier nicht der Trennungsschmerz, der am Ausmisten hindert. Eher der Wunsch, man könnte ja noch potentielle Werte gebunkert haben, sichert dem Album den Platz im Schrank. Aber wenigstens staubt sie nicht als Deko auf dem Schrank ein.

Und er hat mich nicht mal gefragt, ob ich mir noch seine Briefmarkensammlung ansehen will.

Es muss ja nicht gleich die komplett leere Wohnung sein. Doch hin und wieder sollte man sich schon fragen, was man wirklich gerne (vor Augen) hat und welche Gegenstände einfach nur aus Gewohnheit oder Pflichtgefühl herumstehen. Wer seinen Plunder liebt, seien es Pflanzen oder Kunstobjekte, wird sich auch beim Abstauben nicht darüber ärgern. Wenn man allerdings jedes Mal insgeheim damit liebäugelt, die Porzellanfigur „aus versehen“ beim Staubwedeln in den Tod zu stürzen, sollte man etwas ändern.

Die eignen Dinge sind schnell reduziert, da kann man kurzen Prozess machen. Etwas schwieriger wird es, wenn Mitbewohner wie Partner oder Kinder die Flächen mit ihren Dingen zustellen. Da hilft nur verhandeln. Jeder bekommt einen festgelegten Platz, auf dem er sich ausbreiten darf, den er aber auch selbst sauber halten muss (Dreck ignorieren ist keine Option). Und dann muss man lernen, mit dieser Vereinbarung zu leben. Das bedeutet nicht nur, dass alles, was sich über die vereinbarte Fläche hinaus ausbreitet, rausfliegt. Sondern auch, dass man selbst mit dem Anblick der Dinge der Mitbewohner, wie auch immer sie aussehen mag, ertragen muss.

Alternativ bleibt nur, alleine zu wohnen. Wer sich den Lebensraum mit anderen teilt, muss immer auch Kompromisse eingehen. Außer natürlich, man schafft es, sich zum allseits beliebten Diktator zu mausern. Dann hat man natürlich die alleinige Herrschaft über alles, was sich im Haushalt befinden darf.

Noch so eine sehr effektive Art, sich selbst beliebt zu machen, ist es, die Einrichtung und Dekoration anderer zu beurteilen, wenn man irgendwo zu Besuch ist. Besonders gut funktionieren dann Sätze wie „Das ist ja vollgestellt hier. So könnte ich nicht leben.“ oder „Ganz schön kahl hier.“. Jeder hat eigene Bedürfnisse und einen eigenen Stil. Wenn man nicht gerade um Rat gefragt wird, sollte man sich mit Kritik zurückhalten. Wäre ja langweilig, wenn wir alle in einheitlichen Katalog-Wohnzimmern leben würden. Wie haltet ihr es mit Dekoration und Sammelleidenschaft? Eher die vollgestellte Fensterbank oder das leere Regal?

8 thoughts on “Tod dem Nippes!

  1. Toller Beitrag! Bin vor gut drei Monaten umgezogen und wohne nun wieder alleine. Die Bemerkung meiner Besucher in der neuen Wohnung lautet meist: „Die Wohnung ist etwas kahl“. Ich kontere jeweils mit: „Dafür leicht und schnell zu putzen :)“. Solange nur ich darin wohne, wird sich wohl nicht mehr viel daran ändern. Leben und leben lassen.
    Liebe Grüsse
    Schweizer-Minimalist

  2. Ich stimme dir zu, bin selber auch mehr der Typ „leere Wand“. Ich finde Sammeln an sich aber nicht schlimm, solange alles eben auch gut verstaut werden kann und man die Sachen nicht jeden Tag sieht

    viele Grüße,
    Hanna

  3. Oh da kann ich Dir nur zustimmen. Wir haben bereits vor einer Weile den ganzen „Nippes“ entsorgt. Und siehe da, das putzen geht nun super schnell. Viele Dinge sehen wir auch gar nicht mehr aktiv, wenn wir sie immer vor Augen haben.
    Als Kind hatte ich übrigens auch so einen Setzkasten, mit kleinen Glastieren drin. Ich weiss gar nicht mehr, wo die alle herkamen, erinnern kann ich mich an einen Schwan und einen Hund.
    Bei Partner und Kindern habe ich die Erfahrung gemacht, dass Vorbild sein am besten funktioniert. Immer schön bei sich bleiben, auch wenn es schwer fällt.
    Super Artikel.
    Liebe Grüße
    Julia

    1. Hallo Julia,
      an den Setzkasten kann ich mich auch erinnern. Da war alles mögliche drin, als Kind sammelt man ja diverse Schätze. Die Dinger haben aber den Vorteil, dass alles an einem Ort ist und sie sind beim Staubwischen wirklich leicht zu ignorieren 😄.
      LG
      Vanessa

  4. Ich bin auch kein Freund von zugestellten Wohnräumen. Sei es Bilder oder sonstiger Tinnef. Ich selbst miste regelmäßig aus. Allerdings komme ich schon langsam in die Not, denn ich habe eigentlich gar nichts mehr so richtig was weg kann. Im Keller könnte ich noch mal gucken.

    1. Ist doch wunderbar, wenn man mal einen Stand erreicht hat und es nichts überflüssiges mehr gibt. So befreiend das Ausmisten an sich ist so schön ist es auch, die dann frei gewordene Zeit mit neuen Beschäftigungen zu füllen.

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