Finanzen Mindset

Finanzpsychologie – so leicht bist du manipulierbar

Von wegen Zahlen, Daten, Fakten. Das Thema Geld ist durchaus ein emotionales, auch wenn wir das oft gar nicht bewusst wahrnehmen. Einerseits, weil Geld eine existenzielle Funktion in unserer Gesellschaft hat. Andererseits, weil unser Gehirn evolutionär teilweise noch gar nicht in unserer schnelllebigen Zeit angekommen ist. Wir sind also überspitzt ausgedrückt als Höhlenmensch unterwegs in der Mission unser finanzielles Überleben zu sichern.

Um diese Mammutaufgabe zu bewältigen (und nein, wir erlegen jetzt kein Mammut und flüchten auch nicht vor dem Säbelzahntiger), hat unser Gehirn ein paar bequeme Strategien entwickelt, die ihm das ganze vereinfachen sollen. Dann nach wie vor ist unser Gehirn auf Effizienz und Energiesparen ausgelegt. Und da das ganze menschliche Verhalten genauso wie das liebe Geld extrem spannende Themen sind, gibt es mit der Finanzpsychologie sogar eine eigene Disziplin, die sich mit unseren geldbezogenen Verhaltensweisen befasst.

Die verschiedenen Einflüsse, die unsere Erziehung, unsere Kultur/Umwelt aber vor allem unsere Instinkte auf unsere Finanzentscheidungen haben, sind hoch komplex. Wenn man sich derer bewusst ist, kann man ihre Auswirkungen auf die eigenen Finanzentscheidungen analysieren und steuern.

Schauen wir uns im Folgenden doch mal einige typische Strategien und psychologischen Barrieren an, die unser Gehirn unbewusst einsetzt, um sich finanzielle Entscheidungen leicht zu machen.

Anker-Effekt

Dieser erstaunliche Effekt ist ein genialer Trick, um uns Waren zu teureren Preisen unterzujubeln. Da unser Hirn recht einfach gestrickt ist (wir erinnern uns – der Höhlenmensch) sucht es sich Vergleichsobjekte, um den Wert einer Sache einzuschätzen. In Ermangelung passender Bezugspunkt zieht es sich einfach aus dem Zusammenhang gerissene Zahlen heran und verwendet diese als sogenannten Anker. Und da auch mein Hirn nicht anders funktioniert, als bei anderen, bleiben wir der Einfachheit halber bei der Weinflasche als Beispiel in einem kleinen Experiment. Dabei werden zwei Personen unabhängig voneinander gebeten, sich die letzten zwei Ziffern ihrer Kontonummern zu notieren, und dann den Preis einer hochwertig wirkenden Flasche Wein abzuschätzen. Bei der einen Person lauten die Ziffern 05, sie schätzt den Wert auf etwa 8 €. Die andere Nummer endet hingegen auf 96, diese Testperson schätzt den Preis auf 36 €. (Das ist ein konstruiertes Beispiel, die Zahlen dienen nur der Verdeutlichung.)

Besitztumseffekt / Endowment Effekt

Der Besitztumseffekt lässt sich wunderbar auf Flohmärkten aber auch oft bei Onlineinseraten beobachten. Oft werden Mondpreise für gebrauchte Dinge verlangt, die weit über dem durchschnittlichen Marktwert liegen. Das liegt daran, dass wir Gegenstände, die uns gehören, unbewusst einen ideellen Wert hinzurechnen und sie damit wertvoller einschätzen, als Vergleichsprodukte. Diese kognitive Verzerrung führt auch dazu, dass wir Dinge horten, um sie ja nicht unter Wert zu verkaufen. Damit entgeht uns ein möglicher Gewinn, der bestimmt besser an anderer Stelle investiert wäre, als in Form von altem Kram unsere Schränke zu verstopfen.

Verlustaversion

Erstaunlicherweise schmerzen uns Verluste wesentlich mehr als und Gewinne in exakt gleicher Höhe Freude bereiten. Verhaltensforscher schätzen, dass wir ein negatives Erlebnis rund doppelt so intensiv empfinden, wie eine positive Erfahrung. Daher vermeiden wir es verständlicherweise, Verluste bei unseren Investitionen z.B. bei fallenden Aktienkursen, zu realisieren. Das kann jedoch auch dazu führen, dass wir trotz negativer Schlagzeilen länger an einer Investition festhalten und sich so die Verluste noch weiter steigern.

Dispositionseffekt

Der Dispositionseffekt hängt mit der oben beschriebenen Verlustaversion zusammen und beschreibt die Neigung von Anlegern, eher die Wertpapiere zu verkaufen, die im Wert gestiegen sind und die Anteile mit Verlusten eher zu halten. Wer also einen Teil seines Depots verflüssigen will oder muss, sollte sich diesen Effekt bewusst machen, bevor er übereilte Entscheidungen trifft.

Confirmation Bias

Der Effekt der Voreingenommenheit bewirkt, dass man das, was man für wahr und richtig hält versucht, mit entsprechenden Informationen und Argumenten zu beweisen. Der Klassiker unter den Beispielen ist der vermeintlich teure Wein. Wenn man der Testperson dir günstige Weinflasche als besonders edlen Tropfen verkauft, schmeckt dieser gleich umso besser. Allerdings zahlen wir dadurch auch unnötig viel Geld für Markenprodukte, obwohl die gleiche Qualität auch mit einem günstigeren No-Name-Produkt zu haben wäre.

Selektive Wahrnehmung

Wer viel Geld in ein Produkt investiert hat, wird viele positive Aspekte hervorheben, um seine eigene Entscheidung zu rechtfertigen. Argumente, die gegen diese Entscheidung sprechen, werden schlichtweg ignoriert. Interessanterweise ist das auch bei den bereits erwähnten Markenprodukten zu beobachten, bei denen die Verbraucherzentrale regelmäßig die Mogelpackungen des Jahres kürt. Trotzdem verkaufen sich diese Produkte hervorragend. Unerwünschte Informationen werden also einfach verdrängt. Nur so kann ich mir auch erklären, dass ein einschlägig bekannter Hersteller für Schokoaufstrich 😉 die Rezeptur dahingehen „verbessert“, teuren Kakao durch einen höheren Anteil an Fett und Zucker zu ersetzen. Dem Markenimage scheint das nicht geschadet zu haben, sie haben wohl nur eine einzige Kundin verloren.

Sunk-Cost-Effekt

Oder bis zum bitteren Ende – hat man bereits einen gewissen Betrag investiert, fällt es einem umso schwerer, eine Fehlinvestition zu akzeptieren und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Der Effekt zeigt sich beispielsweise bei Autoreparaturen. Wenn die ersten Verschleißteile ersetzt werden müssen, folgen oft weitere meist teure Reparaturen. Hat die gute Mühle erst mal ein paar Dienstjahre hinter sich, werden die Abstände zwischen den Werkstattbesuchen immer kleiner. Doch statt sich von dem Fass ohne Boden zu trennen, halten viele an dem gar nicht mehr treuen Gefährt fest. Man hat ja schon so viel Geld reingesteckt, das wäre ja dann verloren. Dabei wird geflissentlich die hohe Wahrscheinlichkeit zukünftiger Kosten ignoriert und weiterhin Geld versenkt.

Kompromisseffekt

Unser Steinzeitgehirn tut sich leicht mir sogenannten Einzelattributsentscheidungen. Die Wahl des günstigsten Produktes fällt uns leicht. Doch sobald es komplizierter wird und mehrere Attribute die Entscheidung beeinflussen, muss eine Vereinfachung her, um den Entscheidungsprozess zu erleichtern. Das Gehirn hat dabei eine Abneigung gegen Extreme entwickelt und tendiert bei der Auswahl eher zu Produkten mit durchschnittlichen Merkmalen statt sich für solche mit herausragenden Eigenschaften zu entscheiden.

Der Kompromisseffekt besagt also, dass ein Verbraucher aus einer Reihe von Produkten eher die mittlere Option gegenüber den extremeren Optionen wählt. Das machen sich Verkäufer zu Nutze, indem sie uns ein eher günstiges und ein völlig überteuertes Produkt zur Auswahl zeigen. Wenn sie dann ein letzten Endes ein Produkt im oberen Mittelpreissegment auspacken, greifen wir dankbar (und perfekt manipuliert) zu.

Prozent-Effekt

Bei hochpreisigen Produkten wie Autos oder Reisen locken die Hersteller mit unfassbar günstigen Preisangeboten – für die Basisvariante. Die teure Sonderausstattung kostet natürlich extra. Doch was sind schon die paar Euro im Verhältnis zum Gesamtpreis?! Prozentual zum Kaufpreis gesehen fällt es vielen Kunden leicht, noch einige kostspielige Extras hin zuzubuchen. Wenn man schon so viel Geld ausgibt, soll es sich ja lohnen…

Wie hilft mir das?

Wie man sieht, verhalten wir uns bei Finanzentscheidungen alles andere alsobjektiv und wirtschaftlich. Aber mit dem Wissen um die typischen Abkürzungen, die unser geschätztes Gehirn gerne nehmen möchte, um es sich bei der Entscheidungsfindung einfach zu machen, können wir unser Verhalten bewusst beeinflussen und aktiv kontrollieren. Mit diesen unbewussten Mechanismen im Hinterkopf können wir

  • Verstehen, wie und warum wir bestimmte Entscheidungen treffen
  • Die Emotionen verstehen und kontrollieren, die unsere Entscheidungen beeinflussen
  • Psychologische Barrieren identifizieren, die unsere Entscheidungen beeinflussen
  • Aus finanziellen Fehlern lernen und Investitionsfehler vermeiden
  • Ein besseres Bewusstsein für unsere Finanzen und unseren Umgang mit Geld entwickeln

Dabei sollten wir allerdings auch nachsichtig mit uns selbst sein. Das menschliche Gehirn braucht Zeit, um sich auf Neues einzulassen und liebgewonnene Gewohnheiten zu verändern. Zu Veränderungen ist es nur eingeschränkt bereit und fällt ungemein gerne in alte Muster zurück. Was in der Vergangenheit gut funktioniert hat, kann ja nicht schlecht sein… Wer schon mal versucht hat, eine neue Routine zu entwickeln oder einfach nur ein bisschen weniger Süßigkeiten zu konsumieren (ertappt 🤭), weiß das. Hauptsache, man bleibt dran und lässt sich von kleinen Rückschlägen nicht vom Weg abbringen!

4 thoughts on “Finanzpsychologie – so leicht bist du manipulierbar

  1. Ich finde es enorm welche psychologischen Prinzipien heute eingesetzt werden, um uns dazu zu bringen etwas zu kaufen, was entweder gar nicht brauchen oder was eigentlich viel zu teuer ist. Eigentlich traurig, dass Marketing-Fachleute dies so oft so gut hinkriegen. Aber ich denke wenn man die einzelnen Prinzipien kennt und sich deren bewusst ist, wird es leichter sie zu umgehen.

    liebe Grüße,
    Hanna

    1. Wir Menschen sind schon sehr leicht manipulierbar. Und selbst wenn man die Mechanismen kennt, finde ich es gar nicht so leicht, immer zu widerstehen (vor allem bei Werbung für Süßes 😋).

  2. Liebe Vanessa,
    danke für die Aufklärung 🙂 Ich finde es unglaublich spannend, diese „Denkfehler“ aufzuspüren. Und sie sind ja nicht nur auf unseren Umgang mit Geld beschränkt, sondern trüben unseren Blick auch auf allen anderen Gebieten. Es lohnt sich also nicht nur finanziell, sie sich bewusst zu machen.
    Herzliche Grüße
    Rebecca

    1. Wobei es, wenn man das Thema auf alle anderen Gebiete ausdehnt, noch unglaublich viel mehr Effekte und Denkfehler gibt. Wie du sagst, ein spannendes Thema!

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