Finanzen Job Mindset

Wo sehen Sie sich in 5 Jahren – Fragen, die wir uns nicht nur im Bewerbungsgespräch stellen (lassen) sollten

Meine Job bringt es mit unter anderem sich, dass ich regelmäßig sehr viele Fragen an ganz unterschiedliche Menschen richten darf. Da sind einerseits die Teammitglieder, mit denen ich einen engen Austausch suche und für die ich jeweils in festen Abständen einen persönlichen Slot in meinem doch recht vollen Kalender reserviere.

Andererseits habe ich das Privileg (mal mehr, mal weniger häufig) Interviews mit potentiellen neuen Teammitgliedern führen zu dürfen. Neben der fachlichen Qualifikation gibt es einige Fragen, mit denen ich versuche, den Menschen mir gegenüber besser kennenzulernen und seine Motivation zu verstehen. Einige dieser Fragen sind ein bisschen fies, andere etwas kniffelig und einige fast schon provokativ.

Im Job-Interview sind die Kandidaten natürlich nervös, daher ist es mir wichtig, ihnen klar zu machen, dass es hier keine richtige oder falsche Antwort gibt. Mir ist klar, dass ich meinen Gegenüber mit manchen Fragen erst mal zum Nachdenken bringe und es ist auch ok, wenn man dann erst mal nicht so recht weiß, was man antworten soll.

Der Klassiker unter den Fragen an potentielle Bewerber ist ja die Frage „Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?“. Ich persönlich finde diese Frage langweilig und wenig aussagekräftig. Oft bekommt man darauf auswendig gelernte Antworten, die wenig über die Motivation und die Ziele des Interviewten sagen. Dabei sind aber gerade Motivation und Ziele hoch interessant, um herauszufinden, ob Mensch und Job zusammenpassen.

Klar ist das Geld für viele die höchste Motivation, sich Tag für Tag zur Arbeit aufzuraffen. Doch gerade wenn es darum geht, was man selbst denn als Mehrwert für das verlangte Gehalt zu bieten hat, sollte man sich gut vorbereiten. Gute Argumente, warum man eine Gehaltserhöhung oder einen Bonus verdient, findet man, wenn man bisherige Leistungen und Erfolge darlegen kann. Genauso wichtig ist aber, was man in Zukunft einbringen will und ob man vielleicht sogar neue, verantwortungsvollere oder zusätzliche Aufgaben übernehmen möchte.

Mit dem nahenden Jahreswechsel kommt für viele auch ein Zeitpunkt, den sie gerne für eine persönliche Reflektion nutzen und um sich mit den Plänen für das neue Jahr zu beschäftigen. Dabei geht es gar nicht um die „guten Vorsätze“, die dann nach kürzester Zeit wieder vergessen sind. Vielmehr geht es darum, die eingeschlagene Richtung – beruflich wie privat – zu beleuchten und ggf. zu korrigieren. Das kann kleine wie große Veränderungen nach sich ziehen oder aber man erkennt, was man hat und man lernt es wieder zu schätzen.

Zeit also, sich diese Fragen auch einmal selbst zu stellen…

Wo komme ich her?

Beginnen wir mit einer Bestandsaufnahme. Um für sich selber herauszufinden, was einem Spaß macht und welche Stärken man bisher nutzen konnte, ist es interessant, die folgenden Punkte für sich selbst zu beantworten:

  • Was ist mir im Laufe meiner bisherigen Karriere besonders gut gelungen?
  • Auf welche meiner bisherigen Leistungen bin ich besonders stolz und warum?
  • Was will ich werden, wenn ich erwachsen bin?
  • Was kann ich so richtig gut?
  • Über welches Feedbacks / welche Rückmeldungen von Kollegen und Vorgesetzten in Bezug auf meine Arbeit  haben ich mich gefreut?
  • Mit welcher Fähigkeit habe ich mein Team weiterbringen können?

In der Regel arbeiten die wenigsten von uns alleine im stillen Kämmerlein vor sich hin. Wir arbeiten mit und für Menschen. Und auch, wenn sich ein Team in seiner Struktur und/oder Zusammensetzung immer mal wieder ändern kann, einfach austauschbar sind wir mitnichten. Natürlich geht es nicht darum, sich unersetzlich zu machen. Kollegen, die meinen, sie müssten ihr Wissen für sich behalten um ja vor der vermeintlichen Konkurrenz die Nase vorn zu haben, sind weder hilfreich noch wertvoll für ein Team. Im Gegenteil, wer so agiert, zeigt dass er kein Teamplayer ist und schadet dem Unternehmen und damit auch sich selbst. Was macht einen selbst also aus, was unterscheidet einen von den anderen Teamkollegen und womit trägt man selbst zum Teamerfolg bei?

Was treibt mich an?

  • Was motiviert mich morgens aufzustehen?
  • Was steht nicht in meinem Lebenslauf steht und unterscheidet mich von allen anderen Bewerbern.
  • Wie würde ich mich selbst in nur einem Wort beschreiben?
  • Was kann ich besser, als meine Kollegen?
  • Welche Eigenschaften schätzen meine Kollegen an mir?
  • Was können meine Kollegen von mir lernen / was könnte ich ihnen beibringen?

Jetzt geht es ans Eingemachte. Nachdem wir nun schon herausgefunden haben, was wir bisher erreicht und gelernt haben, werfen wir mal einen Blick in die Zukunft. Klar ist das Interesse eines neuen Arbeitgebers, was den Kandidaten denn dazu bewegt, seinen Job wechseln zu wollen. Wenn es nur darum geht, die aktuelle Situation so schnell wie möglich hinter sich zu lassen – egal wohin, nur weg – dann ist die Gefahr hoch, dass auch ein neuer Job nicht glücklicher macht. Daher ist die Erwartungshaltung an die Zukunft interessant. Doch auch, wenn man gar nicht vor hat, seinen Job zu wechseln, sollte man sich immer mal wieder überlegen, was man für sich selbst ändern oder verbessern möchte.

Wo will ich hin?

  • Welche Aufgaben möchte ich in naher Zukunft machen?
  • Was will ich noch erreichen?
  • Welche Kompetenzen möchte ich weiter ausbauen?
  • Was ist ein gutes Unternehmen für mich? Wie sollte mein Arbeitsumfeld aussehen?
  • Was erwarte ich von meiner Führungskraft?
  • Unter welchen Voraussetzungen wäre ich noch erfolgreicher?

Neben den persönlichen Motivationsfaktoren wird auch immer gerne die Frage nach den Schwächen gestellt. Darauf sind die meisten gut vorbereitet und servieren auswendig gelernte Antworten, die ungefähr so aufschlussreich sind, wie ein leeres Blatt Papier. Wobei es schon interessanter wird, wenn man sich selbst mal mit den Defiziten beschäftigt. Dabei geht es nicht darum, sich selbst klein zu machen sondern herauszufinden, wie man selbst damit umgeht und vermeintliche Mängel vielleicht sogar positiv für sich nutzen kann. Um dem ganzen noch etwas mehr Futter zu geben, können die folgenden Fragen aufschlussreich sein.

Was blockiert oder demotiviert mich?

  • Was fällt mir besonders schwer?
  • Wo sehe ich Potential zur Weiterentwicklung?
  • Wo bin ich mit mir selbst noch nicht zufrieden oder sehe Luft nach oben?
  • Habe ich Stärken, die aktuell ungenutzt bleiben? Wie könnte ich diese einbringen?
  • Wenn es eine Sache gibt, die ich zukünftig unbedingt übernehmen möchte, welche wäre das?

Meine absolute Lieblingsfrage an Bewerber:

  • Wenn es eine Sache gibt, die Sie zukünftig keinesfalls mehr machen möchten, welche wäre das?

Um mir ein besseres Bild zu machen und im Nachgang eine zweite Meinung zu haben, begleitet mich meist ein Kollege aus meinem Team bei den Interviews. Bei den ersten Interviews konnte ich beobachten, wie er erst schmunzelte und dann selbst anfing, nachzudenken.

Aus der Menge der bisherigen Antworten (inklusive der meines Kollegen sowie meiner ganz persönlichen Ansicht) hat sich im Übrigen herausgestellt, dass vor allem Arbeiten, die keinen Mehrwert bringen, besonders unbeliebt sind. Wen wundert´s, wer etwas nur tut, weil es halt als Prozessschritt verlangt wird, es aber das Endergebnis in keiner Weise beeinflusst geschweige denn verbessert, sieht keinen Sinn in dieser Aufgabe. Und auch, wenn die Sinnsuche bei der Arbeit gerne belächelt wird und es sich die wenigsten leisten können, einer Arbeit mit Sinn und Erfüllung nachzugehen. Sinnlose Arbeit will keiner machen.

Vielleicht sind wir auch ein bisschen im Alltagstrott gefangen und es wird Zeit, sich mal wieder selbst zu motivieren und über den eigenen Tellerrand hinauszuklettern.

Was trage ich selbst bei?

  • Was habe ich zuletzt Neues gelernt?
  • Wann habe ich zuletzt jemandem ein wertschätzendes Feedback gegeben und wofür?
  • Welche Herausforderung habe ich zuletzt bewältigt?
  • Welche Aufgaben schiebe ich gerade vor mir her?

Natürlich muss es auch nicht der völlig mit Erwartungen überladene Jahreswechsel sein. Jeder x-beliebige Zeitpunkt ist gut genug und passend um einfach mal zu reflektieren, ob sich der eigene Weg noch richtig anfühlt. Und auch, wenn man nicht den Beruf gewählt hat, den man sich als Kind ausgesucht hat, ist es vielleicht ganz interessant zu sehen, wie sich auch die eigenen Werte und Ziele im Laufe des Lebens verändern.

Erstaunlicherweise beschäftig sich unser Unterbewusstsein auch noch eine ganze Weile mit diesen Fragen, dreht und wendet sie, bricht sie runter oder fasst sie zusammen. Bei mir passiert da z.B. beim Autofahren oder Spazierengehen ganz viel. Der Körper funktioniert perfekt im Autopilot und die Gedanken schweifen. Plötzlich kommen ganz neue Ideen ans Licht und neue Ideen sprudeln nur so hervor.

Und ganz am Ende des Gesprächs bedanke ich mich für die Zeit und stelle noch eine einzige Frage, auf die die Antworten so spannend wie unterschiedlich sind:

Welche Frage sollte ich Ihnen unbedingt noch stellen?

6 thoughts on “Wo sehen Sie sich in 5 Jahren – Fragen, die wir uns nicht nur im Bewerbungsgespräch stellen (lassen) sollten

  1. Tolle Fragen, will ich alle mal für mich beantworten. Im Alltagstrott beschäftigt man (bzw. ich) sich ja sonst nicht wirklich damit.

    1. Solange man im „Alltagstrott“ glücklich ist, muss man das ja auch nicht. Hin und wieder hilft es aber, um zu sehen, ob man noch auf dem richtigen Kurs ist.

  2. Ganz viele spannende Fragen und Anregungen! Deine „Auftaktfrage“ habe ich als Bewerber im Jobinterview manchmal gerne an die Fachabteilung gestellt, natürlich in leicht abgewandelter Form. Ich fand es immer super interessant zu erfahren, in welche Richtung sie sich entwickeln wollen und was ihre groben Pläne für die nächsten Jahre sind.

    1. Das ist tatsächlich auch für mich immer wieder eine wichtige Frage. Schließlich möchte man nicht in einem Unternehmen starten, dass keinerlei fundierten Pläne für die Zukunft hat. Ich wurde das auch schon von einem Bewerber auf mich bezogen gefragt. Das fand ich dann ein bisschen seltsam. Aber schlimmer sind Bewerber, die überhaupt keine Fragen haben…

    1. Andererseits ist man nie zu alt, um sich weiterzuentwickeln oder irgendwo anders nochmal ganz neu anzufangen. Aber ja, der Erfahrungsschatz den jemand nach vielen Berufsjahren mitbringt, ist natürlich unbezahlbar (wobei das ja verhandelbar ist…).

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