Mindset Minimalismus

Kann man Resilienz lernen?

Irgendwann stand ich mal vor der Herausforderung, den Begriff Resilienz erklären zu müssen. Denn auch wenn der Begriff ganz selbstverständlich in meinem Sprachgebrauch ist, kannte ihn mein Gesprächspartner nicht.

Ich habe es dann mit Umschreibungen versucht. Zum Beispiel habe ich es mit Widerstandsfähigkeit gleichgesetzt. Daraufhin meinte mein Gegenüber: „Warum sagt man dann nicht einfach widerstandsfähig?“ In solchen Momenten bin ich immer wieder froh, keinen Lehrberuf gelernt zu haben. Im Erklären bin ich wirklich nicht besonders talentiert.

Zufällig bin ich jetzt aber über die sprachliche Herkunft als auch die ursprüngliche Bedeutung gestoßen. Damit kann ich mir das ganze bildlich vorstellen und zukünftig hoffentlich besser erklären.

 Das Wort Resilienz kommt – wie könnte es anders sein – aus dem Lateinischen ‚resiliere‘, was zurückspringen / abprallen bedeutet. Und laut dem schlauen Netzt wird der Begriff auch in der Medizin für die Eindrückbarkeit von Gewebe bei Belastung verwendet.

Ein resilienter Mensch ist quasi vergleichbar mit einem elastischen Material, dass nach starker Verformung in der Lage ist, in den Ausgangszustand zurückzukehren. Er ist also nicht einfach nur widerstandsfähig sondern jemand, der negative Erlebnisse und Situationen verarbeiten und unbeschadet daraus hervor gehen kann. Angesichts der Herausforderungen unserer schnelllebigen Zeit ist Resilienz damit angeblich eine der wesentlichen Zukunftskompetenzen, die am Arbeitsplatz von morgen gefragt sein werden.

Solche sogenannten Softskills sind in der Berufswelt schön und wichtig. Klingt auch erst mal alles sinnvoll. Aber Resilienz ist gefühlt zu einem Modethema geworden, einschließlich Trainings und Ratgeber-Bücher in allen Farben und Formen. Selbstoptimierung ist einfach ein riesiger Kuchen, von dem jeder etwas abhaben will. Da sollte man das Angebot schon kritisch hinterfragen.

Natürlich wäre es perfekt, wenn man seine psychische Widerstandskraft genau so trainieren könnte, wie das Immunsystem und damit gegen jeden Schicksalsschlag gewappnet wäre. Aber wie wir letztendlich reagieren – und ob wir resilient sind – wenn etwas Schlimmes passiert, können wir immer erst mit Sicherheit sagen, wenn es dann soweit ist.

Ob wir im Falle von Niederlagen oder schwierigen Einschnitten in unserem Leben gestärkt daraus hervorgehen oder lange damit zu kämpfen haben, zeigt sich eben erst, nachdem wir solch eine Situation tatsächlich erlebt haben. Natürlich wollen wir immer auf alles vorbereitet sein, doch im Leben lässt sich eben nicht alles kontrollieren. Diese Unsicherheit gilt es auszuhalten und zu akzeptieren.

Ohne den Härtetest einer Stressbelastung bleibt Resilienz gewissermaßen unsichtbar. […] Es ist, als wollte man testen, wie gut ein Mensch schwimmen kann, ohne dass er im Wasser ist.

GEO – Resilienz: Das Geheimnis der inneren Stärke

Und auch, wie unsere Mitmenschen auf Schicksalsschläge reagieren, müssen wir akzeptieren und verstehen, dass eben nicht jeder gleich widerstandsfähig ist. Diese Empathie dürfen wir aber auch uns selbst entgegen bringen. Wenn es jemandem in einer schlimmen Situation schlecht geht, sagen wir im Normalfall schließlich auch nicht, dass er selbst Schuld sei, weil er seine Resilienz nicht trainiert hat.

Es gibt allerdings Situationen, in denen man tatsächlich abhärten kann – und das auch merkt. Minimalisten starten ja gerne mal mit dem Ausmisten der eigenen vier Wände. Mit der Zeit trainieren sie gerade zu ihren Aussortierungsmuskel und hängen ihr Herz immer weniger an materielle Dinge. Wenn dann die Lieblingstasse zu Bruch geht, reagiert man nur noch mit einem müden Schulterzucken – wieder ein Teil weniger.

Natürlich muss man nicht vom Schlimmsten ausgehen und kaum jemanden würde es kalt lassen, wenn er sein Dach über dem Kopf und sämtliches persönliche Habe und Gut verlöre. Aber die kleinen materiellen Verluste bringen einen Minimalisten nicht aus der Ruhe.

Selbstverständlich heißt das nicht, dass man dadurch generell resilienter ist. Denn die eigene Widerstandsfähigkeit ist auch immer von der jeweiligen Situation abhängig. Und wenn man gerade mitten in einer tiefen Kriese steckt, helfen auch all die schönen Tipps zum Stärken der eigenen Resilienz herzlich wenig.

In solchen Momenten erzeugen solche vermeidlichen Ratschläge nur unnötigen Druck, vermitteln sie doch die irrsinnige Erwartungshaltung, schnell wieder ein funktionierendes Rädchen im gesellschaftlichen Getriebe zu sein.

Und mal abgesehen davon sollten alltägliche Stressbelastungen auch nicht mit einschneidenden Schicksalsschlägen gleichgesetzt werden. Wenn ich den beruflichen Trubel durch ein paar wirksame Selbstfürsorgestrategien unbeschadet wegstecke, heißt das noch lange nicht, dass ich besonders umfassend resilient bin. Ich habe nur für mich funktionierende Methoden gefunden, mit bestimmten, sich wiederholenden Situationen umzugehen.

Bei manchen Dingen habe ich auch ein sehr dickes Fell, das ist so über die Zeit gewachsen. Andererseits, wenn wir schon beim Fell sind – ich weiß aber auch sehr genau, warum ich keine Haustiere habe und möchte. Denn so sehr ich Fellnasen auch liebe, bin ich doch jedes mal am Boden zerstört, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Und das kann man sicherlich nicht trainieren, das wird nicht einfach leichter. Da bin und werde ich nie resilient sein.

Widerstandsfähig ist man nicht per se, es hängt von der Situation und dem Ereignis ab. Und in manchen Fällen kann man abhärten, wenn nicht sogar abstumpfen, in anderen wiederum definitiv nicht. Oder, um die Frage mit den viel zitierten Worten eines ehemaligen Kollegen zu beantworten „Es kommt drauf an“.

12 thoughts on “Kann man Resilienz lernen?

  1. Hallo Vanessa,

    meiner Erfahrung nach ist Resilienz auch stimmungsabhängig. Wenn ich mich super fühle, prallen manche Unannehmlichkeiten leichter von mir ab als an Tagen, an denen es mir nicht so gut geht. An solchen fühle ich mich dann schon mal wie ein rohes Ei ohne Schale.

    Ich finde es deshalb toll, dass du das Thema von der realistischen Seite beleuchtest. Resilienz ist eben nicht gleich Resilienz.

    Liebe Grüße

    Annabel

    1. Hallo Annabel,
      das stimmt in der Tat, es gibt solche und solche Tage. Und es sind eben viele Faktoren, die uns und damit auch unsere Widerstandsfähigkeit beeinflussen.
      LG
      Vanessa

  2. Ohlàlà, da schreibst du was bzgl. Haustiere….. Und ich könnte da ganz laut ein Liedchen singen von. Trotzdem: ein Leben ohne fellige Freunde, welcher Art auch immer, ist für mich nicht vorstellbar. Wie sagte schon Loriot ganz richtig: „Ein Leben ohne Mops (wahlweise Mietze/PonyHamster/Chinchilla….) ist möglich, aber sinnlos.“ Wo er Recht hat, hat er Recht! 😁 Natürlich holt man sich mit jedem Haustier gleichzeitig auch Kummer und Sorgen ins Heim; allerdings werden die bei Weitem aufgewogen mit ganz viel Freude. Irgendwas ist halt immer.
    Was die Resilienz anbelangt: bis zu einem gewissen Grad kann man die sich bestimmt antrainieren. Indem man sich nämlich bewusst wird, dass das Leben halt einfach niemalsnie nur glitzert und dass gewisse Fallgruben gestellt sind. Da kann man machen, was man will. Mir hilft im Falle eines Falles dann sehr mir klar zu machen, dass es immer auch Licht geben muss, wo Schatten ist. Ergo: dass alles Negative in irgendeiner Weise auch sein Gutes hat. Das mag einem in der aktuen Phase des Geschehens nicht so ganz leichtfallen, aber rückblickend bestätigte sich (zumindest für mich!) diese These immer. Und ich hatte wahrlich besch….eidene Zeiten in meinem Leben. Ausserdem: es gibt immer einen, dem es noch viel übler geht. Also die Leiter nach unten gucken, nicht immer nur nach oben, wo die stehen, denen es vermeintlich besser geht….
    Wie das in einem echten Ernstfall dann aussehen würde, das hoffe ich dir nie berichten zu können. Allerdings hilft es einem wohl in keiner Weise weiter, wenn man sich aufgibt. Da staune ich immer wieder über Menschen, die wirklich todkrank sind: so viel Mut trifft man wohl sonst kaum irgendwo an……
    Ein schönes WE dir, herzliche Grüsse!

    1. Da hat Loriot eindeutig recht! Wir genießen es beide gerade sehr, dass sich Katzen und Hund der Nachbarn bei uns regelmäßig Streicheleinheiten abholen.
      Irgendwie vergleichen sich die Menschen ja immer gerne mit denen, die in irgendeiner Weise besser dastehen. Das lernen wir schon von klein auf. Wenn ich mit einer schlechten Note heimgekommen bin und dann erzählt habe, dass fast alle anderen noch schlechter abgeschnitten hatten und der Test sch..schwer war, hieß es nur, dass ich mich mit denen nicht vergleichen soll. Und man sieht auch nur das größere Auto oder den schicken Pool im Garten des Nachbarn. Das hinter dem schönen Schein vielleicht auch Kummer und Sorgen stecken könnten, sehen wir nicht. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und das eigene ist immer das schwerste. Dankbarkeit und Mut sind wirklich bewundernswert und wir sollten viel mehr danach streben.

  3. Resilienz… ich gebe zu, mir war der Begriff unbekannt. Höchstwahrscheinlich wäre meine Frage ebenso, wie von deinem Gesprächspartner, warum denn nicht: widerstandsfähig? Vielen Dank für die Aufklärung und wie man sieht, man lernt nie aus. Liebe Grüße!

    1. Dieser „Fachbegriff“ scheint gerade ein richtiger Trend zu sein – bin gerade erst wieder über einen dazu Artikel dazu gestolpert (leider keine neuen Infos).

  4. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Fähigkeit zur Resilienz im Laufe eines Lebens weiterentwickelt. Aber nur, wenn man sich auch Mühe gibt und dies zulässt.
    LG
    Sabiene

    1. Da bin ich gegenteiliger Meinung: Je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir, negative Erlebnisse zu verarbeiten. Was mich in jungen Jahren kaum gejuckt hat, geht mir jetzt total nahe. Aber ich bin ohnehin der Typ „Was mich nicht umbringt, verursacht ein Trauma!“. Und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer… Und ich glaube auch nicht, dass man sich dahingehend nur „Mühe geben“ braucht und dann klappt das schon. Gerade wenn ich über Erlebnisse und Situationen nachdenke, komme ich oft gar nicht mehr aus dem Grübeln heraus, was mich noch mehr runterzieht. Was mir dann hilft, ist Ablenkung – und Zeit.
      LG Anne

      1. Zu wissen, wie man aus solchen Grübeleien wieder rauskommt, ist doch schon die halbe Miete. Klappt nachts um drei aber auch bei mir nicht immer. Da hilft es nicht mal, zu wissen, dass man im Gedankenkarusell festhängt und nachts eh alles furchtbar schlimm ist – wach ist wach.
        Was das Älterwerden mit all den Begleiterscheinungen angeht, tickt mit Sicherheit jeder unterschiedlich. Ich hoffe, ich werde mal sehr tiefenentspannt.

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