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Verloren Worte

Gerade, als ich an den ersten Zeilen dieses Textes geschrieben habe, bin ich über den Aufruf zur Blogparade von Nicole Isermann mit dem Titel „Geht unsere schöne Sprache den Bach runter?“ gestolpert. Eigentlich hatte ich mir gerade Gedanken über Wörter gemacht, die langsam aus dem Alltagsgebrauch verschwinden, bei denen ich mich aber freue, wenn ich sie mal wieder höre.

Im ersten Moment lässt einen der Titel zur Blogparade womöglich schmunzeln, kennt man doch aus seiner eigenen Kindheit die beifälligen Kommentare von älteren Generationen. Da hieß es dann „die Jugend von heute…“, gerne kombiniert mit einem vorwurfvollen Blick. Und jetzt sind wir selbst die „meckernden Alten“, die sich über die Jugend von heute beschweren?

Sprache vereint und grenz ab – in dem Fall die Jungen von den Alten. Die Falten im Gesicht erinnern einen unerbittlich mit jedem Blick in den Spiegel, zu welcher Gruppe man gehört. Und dass die Jugend eben ihre eigene Identität auch sprachlich kreiert, sollten wir einfach akzeptieren. Zugehörigkeit lässt sich nicht mit (sprachlicher) Gewalt erzwingen.

Das sich Sprache stetig ändert, ist ein ganz natürlicher Prozess. Man übernimmt Wörter von den Menschen, mit denen man sich umgibt. Sehr exemplarisch zu beobachten ist das, wenn man als Zugezogene plötzlich mit Wörtern aus einem regionalen Dialekt glänzt. Und so ist die Sprache auch so etwas wie sozialer Kleister, der die Zusammengehörigkeit unterstreicht.

Das wir immer mehr englische Wörter als ganz selbstverständlich in unsere Sprache einbauen, ist daher für mich sogar ganz schön. Es gibt mir das Gefühl, dass die Welt mehr zusammen wächst. Die Sprache vermischt sich wie die Menschen, die sie sprechen. Und dass sich eine einfach zu lernende Sprache besser als gemeinsame Basis eignet, liegt auf der Hand.

 Ich glaube auch nicht, dass die eigene Identität und Tradition gleich den Bach runter geht, bloß weil man nicht mehr so spricht, wie vor 50 Jahren oder weil ein Dialekt immer mehr verblasst. Und nicht jede Tradition muss auf Biegen und Brechen gewahrt werden. Neue Generationen sollten sich ihre eigenen Werte schaffen dürfen. Sonst müssten wir uns ja auch an veralteten Rollenbildern festklammern, Gleichberechtigung hat ja nicht gerade Tradition.

Und doch lässt mir manches, was ich unter dem Oberbegriff Jugendsprache höre, gefühlt das Blut aus den Ohren laufen. Halbfertige Sätze und zerstückelter Satzbau gehören wohl mittlerweile zum guten Ton – früher war das eher  das traurige Markenzeichen eines sozialen Umfelds mit mangelnden Bildungsmöglichkeiten.

Bei  schnieken älteren Anzugträgern, die mit gezwungenem deutsch/englischem Ghetto Slang besonders hipp und jugendlich wirken möchten, rollen sich allerdings auch mir die Fußnägel auf. Im Wort Jugendsprache steckt ja schon die Jugend – und so sollte man nicht zwanghaft versuchen, da mitzureden. Das klingt (klingelt) in meinen Ohren einfach nur peinlich. Da bleibe ich lieber authentisch und erspare mir das Lernen der jährlichen Jugendworte.

Apropos Lernen – erst neulich habe ich eine interessante Diskussion über das Lernen von Deutsch in Kombination mit dem Gendern beiwohnen dürfen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, welche Schwierigkeiten dieser Dschungel aus Sternchen, Punkten und Wortkreationen Lernwilligen bereitet. Vor allem, da man sich ja hierzulande noch nicht einmal untereinander einig ist, wie eine gleichberechtigte Sprache auszusehen hat.

Dass die Rechtschreibreform mehr Unsicherheit als Einfachheit geschaffen hat, macht das Erlernen der Deutschen Sprache ja auch nicht einfacher. Über Wörter mit drei aufeinanderfolgenden Konsonanten stolpert mein Hirn beim Lesen nach wie vor. Offensichtlich hält mein Oberstübchen da auch an ein paar Traditionen fest. Manches kann ich bestimmt ausmisten, auch wenn alte Gewohnheiten nur schwer zu ändern sind.

Manches muss man allerdings auf keinen Fall ausmisten – also zumindest sprachlich gibt es ein paar echt schöne Wörter, die leider in Vergessenheit geraten sind. Das merke ich daran, dass ich mich riesig freue, wenn ich sie mal wieder höre – um den Bogen zurück zur Einleitung zu spannen.

Erst kürzlich hörte ich, wie jemand als Schlawiner tituliert wurde. Ganz ähnlich dem Schlingel, das hört man auch nur noch selten. Doch mit ein bisschen Recherche zeigt sich, dass solche Wörter nicht immer völlig unbelastet daher kommen. Zum Beispiel hat das Wort Schlawiner eine interessante Entstehungsgeschichte. Und so ist es vielleicht doch besser, wenn sich die Sprache weiterentwickelt und ändert, auch wenn uns der vertraute Klang an vergessenen Zeiten erinnert.

Ein Ausspruch bleibt uns vermutlich über alle Generationen erhalten:

„Die Jugend von heute…“

8 thoughts on “Verloren Worte

  1. Wäre Sprache ein starres Konstrukt, würden wir heute noch mittelhochdeutsch sprechen – und wer will das schon? Sprache muss sich verändern, um mit der veränderten Welt klar zu kommen. Und dass Jugendliche sich abgrenzen, ist eben auch ganz normal. Haben wir auch getan. Ich weiß noch, wie meine Eltern bei der Erwähnung des Wortes „Scheiße“ zusammengezuckt sind und es natürlich sofort verboten haben. Sowas wie „geil“ war undenkbar. Und heute völlig normal. Und ich hoffe, dass in 20 Jahren das Gendern auch völlig normal sein wird – und man sich endlich auf eine Vorgehensweise dabei geeinigt hat 😉
    Richtig schöne Wörter findet man übrigens bei Max Goldt. Die Lesungen sind eigentlich immer ein Genuss!
    Liebe Grüße
    Fran

    1. Stimmt, unsere Eltern waren noch echt leicht aus der Fassung zu bringen. Heute ist man da schon ganz schön abgehärtet, da muss man schon härtere sprachliche Geschütze auffahren. Sprachhistoriker haben sicher auch einen interessanten Beruf, ich stelle mir das spannend vor.
      Und danke für den Tipp, da werde ich glatt mal lauschen!

  2. Oh weh, übers Gendern und das Erlernen der deutschen Sprache habe ich noch nie nachgedacht. Deutsch ist eh schon so schwer zu lernen! Dennoch bin ich Freundin davon aus vielen Gründen.

    Danke für das Schlawinerbeispiel. Die Wortherkunft war mir nicht bekannt.

    Einen schönen Sonntag!

    1. Viele Wörter, die wir völlig selbstverständlich verwenden, haben eine spannende Entstehungsgeschichte. Da staune ich auch immer wieder. Im Alltag denkt man darüber gar nicht nach.

  3. Ich finde es wird immer weniger gesprochen, vor allem in Familien. Und deshalb genieße ich das regelmäßige gemütliche Zusammensitzen mit Freunden. Wenn wir einfach uns bei einem guten Glas Wein unterhalten und die Handys aus bleiben. LG Romy

  4. Ich schreibe ja auch Kurzgeschichten und Romane und lektoriere Texte für unsere Zeitschrift „Der Schreiberling“ (für alle Lese-und Schreibfans, den gibts bei den Münchner Schreiberlingen)
    Dabei fällt mir neben dem üblichen wie Bandwurmsätzen und schrägen Bildern vor allem auf, dass wir eigentlich in der besten aller Zeiten leben. Die meisten von uns haben einen Wortschatz, der viel größer ist, als je zuvor. Nicht nur, dass wir alte Worte zumindest noch verstehen (wonnig ist doch bekannt, oder??). Sondern durch die vielen Medien kommen wir auch in Kontakt mit den diversen Fachgebieten und wissen, was ein Provider ist oder eine Kurtaxe. Die meisten Menschen sprechen auch mehr als eine Sprache. Und mehrsprachig bedeutet immer auch mehr sprachig im Sinne von sprachkompetenter. Trotzdem bekomme ich die Krise, wenn die Leute scheinbar sagen und anscheinend meinen. Das ist etwas komplett anderes, Leute.

    1. Mit einem besonders großen Wortschatz kann man anscheinend sehr abgedrehte Bandwurmsätze basteln, mit denen man dich scheinbar auf die Palme bringen kann 😉.
      Liebe Grüße und ein wonniges Wochenende!

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