Minimalismus

Kleiderschrank aussortieren – radikal, einfach und endgültig

Wenn wir uns jeden Morgen vor dem vollen Kleiderschrank fragen, was wir nur anziehen sollen, ist es vielleicht an der Zeit, sich mal genauer mit dem Inhalt zu befassen. Gerade ein besonders voller Schrank scheint dieses Problem eher noch zu verstärken. Umso mehr ich habe, um so weniger habe ich anzuziehen. Die Lösung liegt also nicht darin, etwas Neues zum Anziehen zu kaufen. Im Gegenteil, um wieder einen Überblick über die eigene Garderobe zu bekommen, müssen erst mal alle überflüssigen Dinge raus. Doch wo fange ich an, was soll raus?

Sobald man sich in etwas nicht mehr 100 % wohl fühlt, sollte es weg. Dafür ist die Zeit zu schade. Das merkt man daran, dass man sich unsicher fühlt, etwas zwickt und man im Laufe des Tages immer wieder über seine Kleidung nachdenkt / seine Kleidung bewusst wahrnimmt. Auch Stoffe von schlechter Qualität, die sich beispielsweise elektrisch aufladen und unangenehm auf der Haut kleben, fallen in diese Kategorie. Raus damit!

Wenn etwas kaputt ist und nicht repariert werden kann, sollte man sich ebenfalls davon trennen. Kleinere Löcher kann man flicken oder lose Knöpfe einfach wieder festnähen. Wer selbst nicht handwerklich begabt ist oder solche Aufgaben gerne prokastiniert, kann die Sachen auch zum örtlichen Schneider bringen.  Sind die Schäden irreparabel, lohnen sich aber weder Geld noch Aufwand.

Wenn der Stoff abgetragen und verblichen ist, wird es ebenso Zeit für eine Trennung. Gerade durchsichtige und fadenscheinige Stoffe lassen das ganze Outfit ungewollt billig wirken. Gerade Lieblingsteile tragen wir gerne, bis sie beinahe auseinanderfallen. Zur Not geht es ja noch für zu Hause…

Spätestens, wenn man im gemütlichen Gammeloutfit nicht mal mehr dem Paketboten die Türe öffnen würde, gehören die Sachen entsorgt. Am besten gleich in den Sondermüll! Auch in den eigenen vier Wänden sollte man es sich wert sein, etwas zu tragen, das einem auch gefällt. Und auch ein bequemes Outfit kann hübsch aussehen. Zumindest solltet ihr euch im Notfall, wie z.B. bei einem Hausbrand, auch vor die Tür trauen.

Was nicht passt, wird entweder passend gemacht oder fliegt raus. Seid ein bisschen liebevoll mit euch selbst und quält auch nicht mit dem Anblick der Jeans, aus der ihr seit Jahren raus gewachsen seid. Wenn euch der Blick in den Schrank ein schlechtes Gewissen verpasst, solltet ihr dem Schrank im Gegenzug ein gehöriges MakeOver verpassen.

Bei Flecken, die sich nicht entfernen lassen, sollte man ebenfalls keine Kompromisse machen. Vielleicht lässt sich aus der langen noch eine kurze Hose machen. Aber spätestens, wenn man mehr als zwei Maler-Outfits im Schrank liegen hat, sollten die Sachen rausfliegen.

Diese Methoden können helfen

Wenn man sich nicht trennen kann oder einfach keine Lust auf eine riesige Aktion hat, kann man sich auch schrittweise voran arbeiten. Nehmt euch dazu vor, jedes Teil einmal anzuziehen. Angenommen, im Schrank liegen 20 verschiedene T-Shirts. Dann wird nacheinander jedes T-Shirt einmal angezogen bis man mit allen durch ist. Dazwischen darf nicht wiederholt werden, also ein bereits getragenes (und gewaschenes) T-Shirt bleibt solange im Schrank, bis man mit allen anderen T-Shirts durch ist. Wenn sich alles sträubt, weil man nur noch T-Shirt übrig hat, die man gar nicht anziehen möchte, kommen diese weg. Oder wenn man beim Tragen merkt, dass man sich nicht wohl fühlt. Genauso geht ihr mit den anderen Kategorien wie Hosen, Kleider, Röcke etc. vor. Am Besten nicht zeitgleich, sonst endet es womöglich damit, dass man mit unkombinierbarem Ober- und Unterteil im Outfit des Grauens unterwegs ist. Das ganze sollte man besser nicht kurz vor dem Urlaub starten sondern wenn man wirklich entsprechend viele ganz „normale“ Tage vor sich hat. Denn es geht ja vor allem darum, dass meine Kleidung im Alltag tragbar ist und ich mich darin wohl fühle.

Eine hilfreiche Variante für ein schrittweises Aussortieren ist auch die Kleiderbügelmethode. Dabei werden alle Bügel verkehrt herum in den Schrank gehängt. Sobald man ein Teil angezogen hat, kommt es hinterher, bzw. der Bügel auf dem es hängt, richtig herum auf die Stange. Das ist gerade dann sinnvoll, wenn man gar nicht so genau weiß, was man nicht trägt. Sinnvollerweise sollte man sich ein Zieldatum notieren, zu dem dann überprüft wird, welche Bügel noch verkehrtherum auf der Stange hängen. Diese Sachen sollte man dann mal einer Tauglichkeitsprüfung unterzeihen. Leider hat mein Mann diesen Versuch bei mir unterwandert. Da er sich hauptverantwortlich um die Wäsche kümmert und mittlerweile ganz schön ordentlich ist, hingen nach einiger Zeit plötzlich alle Bügel korrekt im Kleiderschrank. Als ich das endlich bemerkt habe, war schon soviel Zeit vergangen, dass ich das Experiment dann eingestellt habe.

Bei den langfristigen Methoden ist es hilfreich, sich eine Tüte oder ein ähnliches Aufbewahrungsmittel neben dem Schrank zu platzieren. Dort landen dann die aussortierten Dinge gleich. Und da bleiben sie auch! Damit liegt auch der Vorteil der Tüte auf der Hand. Diese kann ich mir einfach schnappen und genauso zum Altkleidercontainer tragen. Würde ich stattdessen einen großen Korb nutzen, müsste ich umpacken. Dabei könnte einem dann durchaus wieder der sabotierende Gedanke kommen, dass man etwas ja nochmal brauchen könnte.

Im Gegenzug zur schleichenden Reduktion kann man dem Kleiderberg man natürlich auch einfach mittels Hau-Ruck-Methode zu Leibe rücken. Dafür sollte man je nach voraussichtlicher Höhe der Kleiderberges ein bisschen Zeit einplanen. Will ich den Mount-Everest besteigen, brauche ich vielleicht einen ganzen Tag. Um den Gipfel des Brockens zu erklimmen, reichen ein paar Stunden. Und wer die Spitze des Pinnebergs zu bewältigen hat, dem reichen wohl schon 30 Minuten.

Ebenfalls hilfreich bei einer großen Ausmiste-Aktion sind ausreichend Tüten und Kartons. Dinge, die gehen sollen, kann man so gleich entsprechend verpacken. Würde man sie bei einem späteren Verpacken ein zweites Mal in die Hand nehmen, wären wir womöglich wieder bei unserem allzeit beliebten Sabotagegedanken (kann man ja vielleicht nochmal brauchen).

Oft wird der Umstieg von Sommer- auf Wintergarderobe bzw. umgekehrt als passender Zeitpunkt für eine größere Ausmisten-Aktion empfohlen. Andererseits – warum warten, wenn einen gerade die Motivation packt. Wer gerade Hummeln im Hintern und Lust auf Veränderung hat, der bringt die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung mit.

Im ersten Schritt muss alles raus aus dem Schrank. Am besten, ihr schafft euch eine große freie Fläche, auf der ihr die Kleider übersichtlich verteilen könnt. Meistens bietet sich das Bett dafür an. Solltet euer Klamottenberg zusätzliche Schränke füllen, solltet ihr diese ebenfalls leer räumen, damit ihr eine Übersicht über eure vorhandene Kleidung habt. Wenn der Klamottenberg sich allzu hoch auftürmt, kann es helfen, erstmal alles zu kategorisieren. D.h. alle Oberteile auf den einen Haufen, alle Hosen auf einen anderen Haufen. Oder man unterteilt nach Jahreszeiten. Dann kommen die warmen Winterpullover zusammen, die luftigen Sommerkleider bilden einen eigenen Berg.

Jetzt geht’s ans Eingemachte. Alles, was ihr oft und gerne tragt, kommt auf den „Behalten“-Haufen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass es noch in gutem Zustand ist. Alles andere wird radikal aussortiert. Am Ende kommen wirklich nur die Sachen zurück in den Schrank, in denen wir uns wirklich wohlfühlen. Wer sich nicht sicher ist, was denn die Wohlfühlklamotten sind, muss nur mal einen Blick in den Wäschekorb werfen. Was regelmäßig in der Wäsche ist, zeigt dir, was du gerne trägst.

Es kann auch sinnvoll sein, sich etwas Unterstützung zu holen. Mit einem/er Freund/in macht es nicht nur riesigen Spaß, man bekommt vielleicht auch den einen oder anderen hilfreichen Ratschlag und im besten Fall ein ehrliches Feedback. Oder das ganze endet Tränen lachend und Schaumweinseelig im grauenvollsten Outfit tief im Klamottenberg liegend…

Aus den Augen, aus dem Sinn. Manchmal kommt es vor, dass wir uns nicht von etwas trennen wollen. Wir tragen die Dinge zwar nicht aber gleichzeitig sind wir uns unsicher, ob wie sie nicht doch vermissen würden. Sachen, bei denen man sich also noch etwas Zeit nehmen möchte, packt man einfach in einen Karton und schreibt ein Ablaufdatum darauf. Hat man bis zum Ende dieses Datums nichts aus dem Karton vermisst, kommt der Inhalt unbesehen weg.

Auch bei besonders teuren Kleidungsstücken fällt es uns mitunter schwer, diese gehen zu lassen. „Das hat doch mal viel Geld gekostet.“ Wichtig ist, sich klarzumachen, das dieses Geld weg ist, egal ob man das Kleidungsstück weggibt oder ob es ungetragen im Schrank hängt. Bei letzterer Variante nimmt es aber zusätzlich Platz in Anspruch und verursacht im schlimmsten Fall auch noch ein schlechtes Gewissen. Hier gilt ganz klar – lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Vielleicht lässt sich durch einen Verkauf noch ein bisschen Gewinn machen. Im Zweifel ist aber auch das die Mühe nicht wert und man sollte einen rigorosen Schlussstrich ziehen.

Und dann:

Wohin mit der aussortierten Kleidung? Was kaputt ist, fliegt in den Müll. Alles, was noch gut erhalten ist, könnt ihr entweder verschenken oder verkaufen. Tauschen ist natürlich auch eine Option, dabei solltet ihr jedoch sorgfältig darauf achten, euch keine neuen Leichen in den Schrank zu holen.

Jetzt werden noch schnell alle Schrankfächer und Schubladen ausgewischt. Überlegt euch ein übersichtliches und praktikables System für eure Kleidung. Dinge, die ihr seltener braucht, können in die schwerer zu erreichenden Fächer. Das können die Wintersachen im Sommer sein oder beispielsweise auch Sportequipment wie etwa die Skiunterwäsche, das nicht regelmäßig benötigt wird. Die Alltagskleidung sollte bequem erreichbar sein. Wer sich mit größeren oder kleineren Personen den Schrank teilt, kann die Fächer auf den verschiedenen Höhen auch aufteilen. (Selbstverständlich misten wir hier nichts aus, das uns nicht gehört!)

Am Ende sollte alles auf einen Blick zu sehen sein. Wer mag, kann die Kleidung zusätzlich nach Farben ordnen, was alles noch klarer und aufgeräumter erscheinen lässt. Der Tipp ist natürlich hinfällig, wenn der Schrankinhalt sowieso nur von einer Farbe dominiert wird. Wobei ich ganz klar sagen muss, dass es durchaus unzählige Abstufungen und Varianten von Schwarz gibt…

Das Wichtigste zum Schluss – jetzt nicht alles wieder vollstopfen. Dank dem übersichtlichen Schrank wisst ihr nun genau, dass da schon 3 passende Jeans und 4 ordentliche Blusen in der gleichen Farbe hängen. Das bewahrt euch davor, euch ebendiese Dinge in gleicher oder ähnlicher Ausführung ein weiteres unkontrolliertes Mal erneut in die Einkaufstasche zu packen. Zusätzlich sollte man es sich zur obersten Regel machen, dass nur noch Kleidung einziehen darf, die sich mit den anderen Mitbewohnern der Schrank-WG auch verträgt. Wenn beim Anprobieren auch nur der geringste und aller kleinste Zweifel aufkommt, bleibt das Teil lieber im Laden. Gekauft wird ausschließlich nur das, was zu 200 % überzeugt. Liebe auf den ersten Blick! Und setzt euch Limits und Regeln (wie z.B. eins rein – eins raus). Dann ist die Geschichte mit dem Kleiderschrank eine Geschichte mit Happy End. Und sie lebten glücklich und zufrieden, bis das die Motte sie scheidet.

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