Minimalismus

Rezepteliebe – Warum stehen wir so auf Rezepte?

In fast jeder Küche gibt es diese eine Ecke, in der sich mehr oder weniger viele Kochbücher, Ordner, Zeitschriften und lose Rezepte sammeln. Wahrscheinlich bräuchte es Jahre, um alle Gerichte nachzukochen – selbst bei drei Mahlzeiten täglich. Das ist natürlich auch nicht das Ziel, oft hat man ja Lieblingsrezepte, die man immer wieder nachschlägt oder lässt sich von den vielen appetitlichen Bildern einfach inspirieren.

Kochsendungen sind ja auch nach wie vor extrem beliebt, wahrscheinlich da Essen einfach ein zentraler Bestandteil sozialer Kultur ist. Und so läuft eigentlich immer auf mindestens einem Sender eine Kochshow. So zumindest mein Eindruck. Vielleicht wäre der ein anderer, wenn ich solche Sendungen aktiv und gerne schauen würde. Dann wäre es bestimmt zu wenig was uns da von Restaurant-Rettung bis Tortenkunst alles geboten wird.

Auch an der Supermarkt-Kasse, schön auf Sichthöhe, wird zwischen der Quengelware für die Kleinen auch immer wieder Quengelware für die Großen platziert. Und nein, es geht nicht um die Mini-Fläschchen mit Schnaps und Co. sondern um Zeitschriften mit Rezepten. Gar nicht selten sind die Aufsteller sogar leer, scheint sich also wunderbar zu verkaufen. Aus irgendeinem Grund sind Rezepte der Kassenschlager schlechthin.

Der Begriff „Rezept“ steht auch oft für eine einfache Anleitung und ist damit als Titel ein echter Erfolgsgarant. Wir Menschen stehen ja auf einfache Lösungen und hätten am liebsten für alle Probleme dieser komplexen Welt eine simple Schritt-für-Schritt-Anleitung, die uns am besten gleich noch das Denken abnimmt.

  • Dein ultimatives Kochrezept für schnellen Reichtum
  • Das Erfolgsrezept für ultimatives Abnehmen (ist tatsächlich ein echter Buchtitel, ich war selbst erstaunt)
  • Das Kochrezept für den perfekten Haushalt
  • Rezept zum Verlieben (das ist wohl ein recht bekannter Film habe ich mir sagen lassen)

Merke: Die Verwendung des Wortes „Rezept“ im Titel ist das beste Rezept, um jeglichen Sch… an Frau oder Mann zu bringen.

Dabei dürfen gestylte Bilder natürlich nicht fehlen. Food-Fotografen haben sich eigens auf diesen Bereich spezialisiert und natürlich wird getrickst und geschummelt, was das Zeug hält, damit alles appetitlich und frisch aussieht. In einem auf den ersten Blick unspektakulären Foto steck dann richtig viel Arbeit und der Laie wundert sich, warum das Glas mit Softdrink und Eiswürfeln bei ihm nie so prickelnd aussieht. Wer mal hinter die Kulissen schauen möchte, liest sich hier beim Profi oder hier mit guten Tipps für Laien ein. Da wundert es dann nicht, wenn das fertige Gericht nicht so aussieht, wie auf den Bildern im Rezept.

Aber es sind nicht alleine die bunten Bilder, die uns so gerne in Rezeptbüchern blättern lassen. Essen ist ja nicht nur ein Mittel zum Zweck. Es geht neben dem Genuss auch um so viel mehr. Da spielt die Gesundheit mit rein aber vielleicht auch mal der Preis. Und Essen kann identitätsstiftend sein. Man denke nur an die vielen regionalen Spezialitäten die wir zwangläufig mit Heimat verbinden. Man denke nur an Linsen mit Spätzle – gibt es was Besseres?!

Und so schmökern wir uns durch unzählige Kochbücher und horten sie wie Schätze in den Regalen und Schränken unserer eh schon vollgepackten Küchen. Dabei kochen wir im Alltag ja meist recht wenig nach. Denn entweder bekommt man nicht alle Zutaten oder die Rezepte sind uns schlicht zu aufwendig. Das ist wie mit der Garderobe, die wir im Kleiderschrank horten. Davon tragen wir auch immer nur einen Bruchteil, unsere Lieblingsstücke halt. Und so haben wir auch unsere Lieblingsgerichte für die wir meist nicht einmal mehr ein Rezept benötigen. Trotzdem braucht man natürlich unbedingt noch ein Kochbuch für Soßen, eines für Kuchen, eines für vegetarische Gerichte (Spoileralarm: lasst einfach das Fleisch weg) und natürlich all die mehr oder weniger exotischen Landesküchen von Amerika bis Zamunda.

Als ich vor Jahren mal eine größere Anzahl Bücher zu verschenken hatte und die im Sozialladen abgeben wollte, hieß es auch, man nehme am liebsten Kochbücher. Die verkaufen sich immer und da wäre es auch egal, wie alt und in welchem Zustand. Kochbücher hatte ich keine dabei. Ich habe ja seit langem ein ganz eigenes Verhältnis zu Büchern, die meisten laufen bei mir durch. Einen festen Wohnsitz hier haben nur ca. 10-20 Exemplare. Und auch hier ist kein Kochbuch dabei.

Allerdings bin ich nicht immun gegen die appetitlichen Bilder und habe einige Links gespeichert mit Dingen, die ich mal nachkochen oder –backen will. Vor allem hier ist es ganz schlimm, lauter leckere Kuchenrezepte und es kommen auch immer wieder neue dazu. Auch die wichtigsten Rezepte habe ich in digitaler Form abgelegt. Einzige Ausnahme ist eine uralte Kopie aus einem dicken Rezeptbuch, das längst nicht mehr unter uns weilt (war nicht meines, Aufenthaltsort unbekannt). Mittlerweile könnte man an den Flecken auf dem Blatt wahrscheinlich die Zutaten ermitteln, ohne es zu lesen. Wobei lesen zwischenzeitlich auch zum Problem wird, so abgewetzt ist das Papier.

Bevor ich also meine „Anleitung zum schnell glücklich sein“ verliere, wird digitalisiert. Und weil man Glück ja teilen soll, packe ich das Rezept hier rein – dann verliere ich es auch nicht mehr. Und keine Sorge, der Rehrücken ist ein einfacher Kastenkuchen und kommt ganz ohne Bambi aus.

Rezept für Rehrücken

Zutaten

  • 100 g Butter oder Margarine
  • 150 g Zucker
  • 1 Priese Salz
  • 5 Eier
  • 100 g geriebene Blockschokolade
  • 2 Päckchen Schokoladenpuddingpulver
  • 1 gehäufter TL Backpulver
  • 100 g Mehl
  • 1 Glas (2 cl) Rum (54 Vol.-%)
  • 80 g gemahlene Mandeln
  • Margarine zum Einfetten

Zum Garnieren

  • 1 Becher Schokoladenglasur (100 g)
  • 50 g Mandelstifte

Anleitung

Butter oder Margarine schaumig rühren. Nach und nach Zucker, Salz, Eier, die Schokolade und das mit Puddingpulver und Backpulver gemischte Mehl in den Teig rühren. Rum und Mandeln reinmischen. Rehrückenform einfetten, Teig reinfüllen. In den vorgeheizten Ofen auf die mittlere Schiene stellen.

Backzeit: 50 Minuten

Elektroherd: 180 Grad

Gasherd: Stufe 3 oder 1/3 große Flamme

Form aus dem Ofen nehmen. Rehrücken auf einem Kuchendraht stürzen und auskühlen lassen. Schokoladenglasur um Wasserbad auflösen. Rehrücken damit überziehen. Mit den Mandelstiften spicken. Gus erstarren lassen. Kuchen vor dem Servieren in 19 Stücke schneiden.

Beim 1:1 Abschreiben des Rezeptes musste ich wirklich schmunzeln, schreibt man das heutzutage noch so? Zumindest mein Schreibprogramm kennt „reinmischen“ und „reinfüllen“ nicht als zusammengeschriebene Wörter.

Einen Gasherd findet man wohl nur noch selten, das ist in neueren Rezepten oft nicht angegeben. Ich weiß auch nicht, was eine Rehrückenform ist. Die Kastenform tut´s auch und ich bezweifle, dass es da einen Unterschied gibt. Und braucht man wirklich einen Kuchendraht? Ich bin seither gut ohne durchs Leben gekommen. Und zu guter Letzt – wer schneidet ganze 19 Stücke aus dem Kuchen, das ist doch lebensfremd.

Auch die Zutatenliste ist bei mir immer ein bisschen anders, gemahlene Mandeln habe ich eigentlich nie da. Aus dem TL Backpulver wird großzügig ein Tütchen, ist wahrscheinlich eh ungefähr gleich viel.  Und Rum ist auch nicht immer da, aber Gin oder Sahnewhisky geben auch ein feines Aroma. Manchmal kommt noch Zimt dazu. Und zu guter Letzt kommen nach dem Einfetten noch Semmelbrösel in die Form, dann stürzt sich der Kuchen nach dem Backen quasi selbst aus der Form. Deko ist sowieso Ansichtssache aber zumindest Schokolade kommt immer gut – und die Blockschokolade gibt es ja praktischerweise schon im 200 g Päckchen.

Über das Puddingpulver kann man sich vermutlich auch streiten. Es muss bestimmt keine Fertigmischung sein. Für mich ist das ok und verbunden mit glücklichen Kindheitserinnerungen. Ich habe es aber auch schon mal mit einer wilden Mischung aus Kakao und Kaba-Pulver ersetzt, als ich das Puddingpulver beim Einkauf vergessen hatte. Das Rezept verzeiht viel und ist auch für Back-Neulinge geeignet, meinem Mann ist der Kuchen beim ersten Versuch gelungen.

Mit Küchenmaschine kann man auch einfach alles auf einen Schlag reinwerfen und zusammenpanschen. Unsere ist nach drei Jahrzehnten von uns gegangen und ich vermisse sie nur bedingt. So ein Gerät nimmt mit all dem Zubehör einfach viel zu viel Platz ein und so oft brauche ich den elektrischen Support nicht. Allerdings musste ich auf die harte Tour lernen, warum in Rezepten eben nicht alles auf einmal zusammen in die Schüssel kommt – warme Butter und kalte Eier vertragen sich nicht so gut.

Unterstützung beim Rühren bekomme ich vom Pürierstab und die Salatschüssel ist völlig schmerzbefreit, wenn sie mal Kuchenteig beheimatet. Unwahrscheinlich, dass hier nochmal eine Küchenmaschine einzieht, wo Muskelkraft und Stabmixer völlig ausreichen. Wahrscheinlich würde ich das anders sehen, wenn ich mehr backen würde. Sollte ich nochmals auf selbstgebackenes Brot umsteigen, sieht die Welt womöglich wieder anders aus.

Welche Rezepte hortet ihr wie Schätze? Und lieber in Buchform zum gemütlichen drin Schwelgen oder habt ihr sogar alles im Kopf?

12 thoughts on “Rezepteliebe – Warum stehen wir so auf Rezepte?

  1. Vielleicht geben Rezepte Sicherheit und Zuversicht? Ich bin froh, dass hier nur noch ein geerbetes Grundlagenkochbuch und ein Sammelordner stehen. Den Ordner gehe ich etwa einmal jährlich durch und lasse mich inspirieren und nehme raus, was mich nicht mehr anspricht. Aus Kochbücher reiße ich die Rezepte für den Ordner raus, die ich brauche. Der Rest kommt weg.

    Tolle Foodbilder sprechen mich schon an, aber für meinen eigenen Rezeptbereich im Blog versuche ich, den Aufwand in Grenzen zu halten. Ebenso beim Küchenzubehör. Es gibt einiges, aber alles wird verwendet. Und es wurde in den letzten Jahren viel entsorgt und olle Plastikteile in Glas oder Metall ersetzt.

    Dein Rehrückenrezept ist meins für Lasagne. Unschlagbar und nur noch schwer zu lesen.

    Einen leckeren Abend wünscht Dir
    Ines

    1. Für Lasagne ist mein Mann zuständig. Ich sollte mir mal wieder eine wünschen, danke für die Erinnerung 😉
      Normalerweise macht er die immer, während ich mich um die Steuererklärung kümmere, das ist der Deal. Aber einmal im Jahr wäre zu wenig, dazu ist das, was er da koch, viel zu lecker. Ein Rezept nutzt er aber nicht, seine Geheimzutat ist eine gefühlte Tonne Käse 😋
      Dir ebenfalls einen schönen Abend!

  2. Was sind Religionen und Glaubenssätze? Nichts anderes als Rezepte, was man zu tun und wie man zu sein hat! Wenn mich jemand fragt, welcher Religion ich angehöre, sag ich immer, keiner, denn ich hasse Gebrauchsanweisungen! ;-D Mit „Glauben“ hat das nämlich nix zu tun. Muslime dürfen keine Gummibärchen essen, frag die Leute mal, warum, keiner weiß es. Das nenne ich gelungene Manipulation des Volkes 🙂
    Ich schaffe es noch nicht mal, mich beim Kochen oder Backen ans Rezept zu halten – ich wandle immer ab.
    Aber ich denke auch, dass Rezepte einen gewissen Sinn machen, klar, vor allem, wenn man gar nicht backen kann…!
    Mjam, Rehrücken, leckere Kalorienbombe!
    Herzliche Grüße!

    1. Der Nachbar hat erzählt, dass er während der Lehre auf der Baustelle mal zum Fleischkäsebrötchen holen geschickt wurde – auch für die muslimischen Kollegen. Die meinten dann, sie essen einfach drinnen mit dem Kommentar: „Deutscher Beton ist guter Beton, da kann Allah nichts sehen.“ Soviel zu den Gummibärchen… 😉

  3. Grumpf, ich sollte keine Kommentare lesen, ich habe jetzt total Lust auf Gummibärchen und hocke im muslimischen Land. Menno Maren.😳 😂
    Rezepte gibt es wohl schon ewig und was ist wohl das beste Rezept? Kochbücher sind wirklich mega verlockend. Schon diese Fotos! 😋
    Dein Kuchen sieht mega lecker aus. Ich schau mal ob es heute hier Schokoladenkuchen gibt, wenn ich schon keine Gummibären bekomme .😁
    Liebe Grüße Tina 🌴

    1. Oh, da gibt es doch aber auch immer sehr spezielle landestypische Süßspeisen (die sind sogar mir meist zu süß). Da lassen sich die Gelüste sicher anderweitig befriedigen, ich drücke dir die Daumen!

  4. Oh. Ich gestehe: ich besitze kein einziges Rezeptbuch. Und ich kaufe auch nicht die entsprechenden Magazine. Wenn ich denn tatsächlich mal keine Idee hab, was man so kochen könnte am WE, dann bemühe ich das www. Ansosnten koche ich frei Schnauze, und man glaubt es kaum: bisher war alles geniessbar! 🤤
    Aber ich habe mir ein Heft angelegt, in welches ich die Rezepte schreibe, welche mich nachhaltig beeindruckt haben. So z.B. das für Omas wundervollen Weihnachtsstollen. Es gibt keinen besseren! Oder das für Muttis gedeckte Apfeltorte. Weihnachtskonfi (Ananas/Zitrone/pink Grapefruit). Undsoweiterundsofort. Ich wünschte mir nur, ich hätte Oma nach noch ein paar mehr Anleitungen gefragt. Ich würde zu gerne mal wieder „errötende Jungfrau“ geniessen oder ihr wundervolles Marzipan kneten ( aus nichts anderem als Mandeln, Puderzucker, Rosenwasser und dann mit dunkler Schokolade überzogen, haaaach…..). Aber leider ist Oma schon lange von uns gegangen. Damals, als sie noch lebte, war es mir auch nicht so bewusst, wie wertvoll das alles mal für mich sein könnte….
    Aber wie auch immer: dein Rehrücken sieht sehr lecker aus. Egal, in welcher Fomrmer gebacken wurde! Und ich vermute mal, dass inzwischen kein Krümelchen mehr da ist?
    Herzliche Grüsse!

    1. Was ist denn „errötende Jungfrau“? Das hab ich ja noch nie gehört 😮
      So selbstgemachte Leckereien wie Marmeladen und Süßigkeiten (sogar auch Marzipan) hab ich bisher oft auf den sehr kleinen lokalen Weihnachtsmärkten gefunden. Die Schulen und Vereine haben oft sehr spezielle und feine Sachen im Angebot und man weiß, wo das Geld landet.
      Und natürlich ist nicht ein Krümelchen mehr da, ich muss mal wieder Nachschub backen 😊

  5. Oh, das ist ein suuuperleckeres Dessert! Da wird aus Apfelmus, Rotwein (daher kommt das „Erröten“!) und Zitrone eine Art Wackelpudding gemacht, zu dem es dann Vanillesauce gibt. Ein Träumchen! Und eine süsse, herrliche Erinnerung an meine Kindheit und die liebe Oma….. (Wie sagte Opa immer, wenn der Pudding auf dem Teller wackelte? „Zittere ruhig, ich fress dich doch!“ 😂)

    1. Klingt lecker, habe aber noch nie etwas Vergleichbares gegessen/gesehen. Werde am Sonntag mal die Schwiegermama interviewen, ob sie das kennt (und mal für uns kocht 😉).

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