Finanzen Minimalismus

Warum ich sämtliche Challenges ignoriere

Wer sein Verhalten ändern möchte, ist in der Regel unzufrieden. Da ist der Wunsch nach einer radikalen Veränderung oft groß, genauso wie die anfängliche Motivation. Damit letzteres nicht gleich wieder wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, kann man sich mit diversen Strategien wunderbar überlisten. Eine sehr beliebte und effektive Strategie um an einer Sache wirklich dran zu bleiben, sind Challenges. Vor allem in der Gruppe  fällt es vielen leichter, man verspürt einen gewissen Druck und der Austausch mit Gleichgesinnten hilft und macht Spaß.

Erlaubt ist, was gefällt

Eigentlich ist es völlig egal, was man ändern möchte. Dank Internet findet sich für jedes Problem mindestens ein Lösungsansatz – im Normalfall sogar eher unendlich viele. Das ist das schöne, Erfahrungen und Wissen (leider auch Unwissen) können schier grenzenlos geteilt werden.

Bevor ich mittels Hau-Ruck-Methode völlig überstürzt versuche, in irgendeine Richtung zu arbeiten, sollte ich erst einmal meine Ausgangssituation kennen. Will ich sparen, und wenn ja, wie ist meine finanzielle Situation? Oder will ich abnehmen, warum, wie viel, für wen? Vielleicht nervt auch nur der volle Kleiderschrank, aber was möchte ich den eigentlich tragen? Wer weiß, warum er etwas ändern möchte, kommt auch mal über ein Motivationstief hinweg.

No-Buy-Challenge

Ich kann mir jetzt einfach mal so, und weil´s halt gerade irgendeine Gruppe in irgendeinem sozialen Netzwerk startet, verbieten, Geld auszugeben. So einfach ist es dann aber doch nicht. Erst einmal müssen Ausnahmen definiert werden, es muss ja Essen auf den Tisch. Und was ist, wenn die Zahncreme leer ist?! Oder noch schlimmer, das Handy kaputt geht. Ohne das sind wir ja quasi nicht lebensfähig, dann schon lieber auf Essen und Zahncreme verzichten.

Natürlich kann man sich einen „Freischuss“ pro Tag/Woche/Monat erlauben. Viel sinnvoller wäre es aber, erst mal das eigene Konsumverhalten zu analysieren und dann ganz gezielt zu ändern, was Sinn macht. Ein Haushaltsbuch wäre da ein guter Anfang. Wer konsequent alle Ausgaben darin einträgt, erkennt schnell, ob der tägliche Gang zum Bäcker oder doch eher die enge Beziehung zum Packet-Lieferant das Loch im Geldbeutel verursacht.

Eine Konsumruhe tut mal gut aber sollte nicht als Verbot gelebt werden. Wenn man etwas braucht, muss man es doch nicht zwanghaft nicht aufschieben. Der benötigte Betrag summiert sich dann einfach zu einem späteren Zeitpunkt und die Ausgaben hat man eh. Dann die Ausgaben lieber gleichmäßig verteilen und stattdessen darauf achten, dass man im Durchschnitt nicht übers Ziel hinausschießt.

Ich sehe an meinem Haushaltsbuch der letzten 3 Jahre, dass ich im Schnitt mit 400,- € als Taschengeld ganz gut hinkomme. Da geht so ziemlich alles von weg, was nicht unter die Gemeinschaftsausgaben  fällt, Kleidung, Essen in der Kantine, Freizeit, Bücher, Kurztrips, Geschenke und was sonst noch so anfällt. Investiert wird am Monatsanfang, und dann nochmal am Ende alles was vom „Taschengeld“ übrig bleibt. Durch das regelmäßige Tracking weiß ich, wo das Geld hinfließt und einzelne Peaks gleichen sich in der Regel problemlos aus.

Taschengeld Verbrauchskurve 2020 – 2022

Aufbrauch-Challenge

Um nochmal auf die Zahncreme zurückzukommen – unsere Schränke quellen ja gerne mal über in Folge fleißiger Hamsterkäufe. Als Jäger und Sammler liegt uns das in den Genen, vor allem den Schnäppchen-Jägern unter uns. Da hat man dann schnell mal einen unschlagbar günstigen aber auch lebenslangen Vorrat an Dingen, die dann in den Regalen Staub ansetzen. Fragt sich, ob man bei all der Lagerhaltung wirklich noch spart.

Bei unverderblichen Produkten muss das jeder selbst entscheiden. Lebensmittel halten in der Regel auch viel länger, als es das Mindesthaltbarkeitsdatum behauptet. Doch fast alles hat seine Grenzen, sofern es sich nicht um Salz handelt. Sobald man dann den Überblick über die Vorräte verliert, wird es kritisch. Sowohl aus finanzieller aber auch und vor allem aus Nachhaltigkeitssicht wäre es eine Katastrophe, wenn Lebensmittel im Müll landen. Um dem Kühlschrankinhalt beizukommen, kann man natürlich eine Aufbrauch-Challenge starten. Eventuell kommt man dann auch auf ganz neue kreative Rezepte – oder man kauft generell nur das ein, was man auch benötigt.

Ausmist-Challenge

Mein absoluter Favorit ist die 30-Tage-Ausmisten-Variante, bei der an Tag 1 ein Teil entsorgt wird, an Tag 2 dann zwei Teile, an Tag 3 sind es drei Teile und so weiter. Vielleicht muss man besonders zahlenbesessen und geduldig sein, am Ende hat man immerhin ganze 465 Gegenstände aussortiert. Aber es geht ja beim Ausmisten nicht darum, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Zeug los zu werden. Viel mehr sollte man sich einfach auf das Wesentliche beschränken und vor allem nicht ständig neue Dinge nach Hause schleppen.

Womöglich setzt man sich auch selbst viel zu sehr unter Druck und mistet dann Dinge aus, die eigentlich noch benötigt werden. Hauptsache, man schafft seine vorgegebene Tageanzahl. Dann fliegen schnell man 20 Briefumschläge raus, es reicht ja ein kleiner Vorrat. Und bei Bedarf kauft man wieder einen Packen. Wobei – muss man da dann immer gleich die Hälfte wieder wegwerfen? Weil – 100 Briefumschläge braucht doch kein Mensch?!

Wer viel auf einen Schlag loswerden will oder muss, wird wahrscheinlich mit anderen Methoden glücklicher. Ich finde es aber auch irgendwie bedenklich, wenn dann einfach der ganze Hausstand in die Tonne fliegt. Wer sich die Mühe macht, ein neues Zuhause für nicht benötigte Dinge zu finden, häuft in der Regel auch nicht mehr so schnell ohne Sinn und Verstand neue Sachen an.

Fasten

Beliebt ist ja auch der Verzicht zur Fastenzeit. Egal, ob es ums Essen geht oder ganz zeitgemäß Digital-Detox, die Selbstkasteiung kennt keine kreativen Grenzen. Der gute Schwabe weiß allerdings genau, wie man die 40 Tage übersteht – nicht umsonst werden die Maultaschen hier Herrgottsbscheißerle genannt. Wem die Tage vor Ostern ungelegen kommen, könnte sich alternativ nach anderen Religionen richten, auch Judentum oder Islam kennen Fastenzeiten.

Ob man aber tatsächlich in die Hölle kommt, wenn man gegen das Gebot des Fastens verstößt, konnte mir noch niemand bestätigen. Das Risiko gehe ich gerne ein. Wenn ich mal mit etwas über die Stränge geschlagen habe – Schokolade ist eine meiner großen Schwächen – warte ich allerdings auch nicht, bis die Fastenzeit vor der Tür steht. Stattdessen versuche ich meinen Konsum direkt wieder zu reduzieren, einfach für das eigene Wohlbefinden.

Dry-January oder Veganuary

Gerade zu Jahresbeginn sind viele von uns ja übermotiviert. Aufrufe zum Dry-January oder Veganuary zieren haufenweise Internetseiten, die passenden Gruppen schießen wie Pilze aus dem Netz. Die guten Vorsätze wollen ja auch umgesetzt werden. Gemeinsamer Verzicht fällt leichter und warum nicht den Schwung nutzen, um sich selbst und/oder der Umwelt mal was Gutes zu tun. Doch viele fallen wieder in alte Verhaltensweisen zurück, wenn sie überhaupt einen ganzen Monat durchhalten.

Wenn die Regeln weniger streng sind, lässt es sich auch leichter danach leben. Am Ende habe ich mehr gewonnen, wenn ich ganz generell weniger tierische Produkte esse statt einen Monat darauf zu verzichten und danach völlig zu eskalieren. Verbote führen in der Regel dazu, dass die Gelüste auf genau diese Dinge noch größer werden. Womöglich kreiert man sich eine Ersatzbefriedigung, die dann nicht unbedingt besser ist – also nicht den Alkohol durch Zigaretten oder den Käse durch Schokolade ersetzen!

Was bringt das überhaut?

So eine Challenge ist ein ganz guter Start, um eine Initialzündung für eine Verhaltensänderung zu bekommen. Man hat ein festes und vor allem messbares Ziel vor Augen und damit eigentlich schon mal ganz gute Voraussetzungen, das ganze auch durchzuziehen. Feste Regeln geben außerdem einen klar definierten Rahmen vor. Es gibt zum Beispiel Ausnahmen oder Joker, die das Ganze flexibler gestalten. Und wenn man tatsächlich mal 30 erfolgreiche Tage, oder welchen Zeitraum man auch immer, hinter sich hat, ist man entweder froh, es hinter sich zu haben oder motiviert, weiter am Ball zu bleiben.

Oft gibt es auch Gruppen, die gemeinsam eine NoBuy- oder Ausmist-Challenges machen. Das hat dann auch den schönen Nebeneffekt, dass der Druck, das Ganze durchzuziehen, noch größer ist. Wenn man regelmäßige Reminder bekommt oder sieht, was die Gruppenmitglieder erreicht haben, bleibt man auch selbst leichter dran. Der gemeinsame Austausch unter Leidensgenossen kann hilfreich sein oder einfach nur Spaß machen.

Vor allem, wenn man mal einen Durchhänger hat oder womöglich sogar mal schwach geworden ist, kann eine Gruppe Unterstützung bieten. Denn all zu gerne geben wir auf, wenn wir einmal versagt haben. Gruppen und Challenges haben also durchaus ihre Daseinsberechtigung. Es muss nur jeder für sich entscheiden, was für ihn passt.

Und danach?

Neue Gewohnheiten brauchen Zeit, um sich zu etablieren. Wer im Zuge einer No-Buy-Challenge über einen längeren Zeitraum reduziert konsumiert hat, füllt die gewonnen Freizeit mit anderen Aktivitäten. Konsum als Ersatzbefriedigung, Trost oder Übersprunghandlung  ist nicht mehr attraktiv.

Und dann hat man plötzlich auch noch Geld übrig und könnte sich tatsächlich mit dem leidigen Thema Finanzen und Altersvorsorge beschäftigen. Geldanlage ist doch ein viel schönes Hobby als Shoppen!

Allerdings liegt es an einem selbst, die neu gewonnenen Erkenntnisse auch weiterhin zu leben und nicht in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Gerade aus diesem Grund sollte man sich am Ende einer Challenge auch überlegen, was man erreicht hat und was man mitnehmen möchte. Schnell kehrt man sonst wieder zu vertrauten Verhaltensmustern zurück. Daher erarbeite ich mir lieber Schritt für Schritt neue Gewohnheiten, die ich so lange pflege, bis sie sich etabliert haben. Der Weg ist das Ziel.

Morgens das Haus verlassen, ohne das Bett zu machen, geht überhaupt nicht mehr. Jeden Tag ein paar Seiten zu lesen, wird ganz langsam zu einem unbewussten Bedürfnis. Das mit der Schoki heb ich mir für die sehr, sehr, sehr ferne Zukunft auf…

14 thoughts on “Warum ich sämtliche Challenges ignoriere

  1. Die Challenges, die so durchs Netz schwirren haben oft was von Selbstoptimierung und/oder Selbstinzsenierung.

    Statt No-Bye-Challenge mal die eigenen Konsummuster hinterfragen, eben das klassische Haushaltsbuch und bei Kaufwünschen abwarten bringt viel mehr. Dafür braucht man keine Fastenzeit, keinen 1. Januar oder sonstwas. Sowas läuft 365 Tage im Jahr.

    1. Das denke ich auch. Vielleicht hilft es manchen als Initialzündung aber nachhaltiger ist es definitiv nur, wenn man auch am Ende der Challenge am Thema bleibt. Wenn ich jetzt zwei Wochen jeden Tag 100 Kniebeugen mache, habe ich ja nicht gleich das Sportpensum für´s ganze Jahr erledigt (wobei der Muskelkater bestimmt so lange andauern würde).

  2. gleich morgens das bett machen ist nur gut, wenn man staubmilben züchten will 😀
    besser aufgeschlagen auslüften lassen – mindestens bei offener tür, ausgedrehter heizung – milben mögens warm über 14° und hohe luftfeuchte (wie in beschlafenem bettzeug)……
    ansonsten: her mit dem heiligenschein! da wo all die challenges hinwollen bin ich schon seeeehr lange….. 😀
    ooooohhhhmmmmmmhhhhh******
    xxx

    1. Glückwunsch zum Heiligenschein! In deinem Fall kannst du den echt mit Stolz tragen, wie ein Krönchen!
      Ich vergesse immer, dass ich das Bett ja völlig falsch mache. Für mich bedeutet es nämlich genau das – morgens alles wild aufschütteln und die Bettdecke so weit wie möglich zurückschlagen. Aber da das dann im Vergleich zu dem Knoten, den wir über Nacht aus der Decke machen, so ordentlich aussieht, ist das dann für mich ein gemachtes Bett. Und da krieche ich dann abends auch gerne wieder rein.

  3. Hinter vielen Challenges steckt ein kostenpflichtiges Coaching. Und ich bin der Meinung, dass momentan die Blogosphäre vor lauter Coaches überquillt.
    Ansonsten freue ich mich immer mal wieder, wenn ich von einer Challenge zu einem Thema lese, das mich auch gerade beschäftigt. Im Moment wäre es dann eine Zuckerfrei-Challenge 😉
    LG
    Sabiene

    1. Oje, zuckerfrei wäre für mich gerade auch eine ganz schöne Challenge. Aber zum Glück muss ich das ja nicht machen.
      Coach darf sich ja jeder schimpfen, da versucht manch einer, das schnelle Geld machen. Wie bei allem gilt, den gesunden Menschenverstand nutzen. Den haben ja zum Glück die meisten von uns.

  4. Challenges? Meiner Meinung nur dann sinnvoll, wenn sie schlussendlich tatsächlich ein ernsthaftes Umdenken nach sich ziehen. Sonst machen sie für mich persönlich keinen Sinn. Es ist mit Sicherheit motivierend, zu Mehreren etwas in Angriff zu nehmen. Die Kunst dabei scheint mir aber zu sein, die neuen Gewohnheiten dann auch zu etablieren!
    Ich kann mich nicht erinnern, jemals so eine Challenge mitgemacht zu haben. Meine eigene, grosse, seit langem geführte und mir selbst gestellte Aufgabe ist es, meinen ökologischen Fussabdruck so klein wie möglich zu halten. Eine intensive Sache- aber ich bleibe dran! 😁
    Herzliche Grüsse!

    1. So sehe ich es auch. Als Initialzündung ist das sicher für manche hilfreich. Mir ist das zu fremdbestimmt, ich mache mir meine „Regeln“ selbst. Wobei das dann eigentlich keine Regeln sind, sondern antrainierte Vorlieben. Und was gut funktioniert, bleibt dann auch.

  5. Mir persönlich helfen Challenges, den inneren Schweinehund zu überwinden. Klar, ich muss es lange genug durchhalten, um es wirklich zur Gewohnheit zu machen, aber gerade diese Initialzündung hilft doch. Darf natürlich nicht in Selbstkasteiung ausarten.
    Viele Grüße
    Jenni

    1. Irgendwie ist es doch immer ein bisschen Selbstkasteiung, wenn ich versuche, auf etwas zu verzichten oder zu reduzieren. Aber vielleicht macht es mit einer Challenge mehr Spaß. Andererseits habe ich gerade erst einen schönen Spruch gelesen: „Denke immer an die Menschen auf der Titanic, die den Dessertwagen weiter gewunken haben.“
      In diesem Sinne – genussvolle Grüße 🙂

  6. Danke für Deinen Kommentar zu meinem „12von12“, liebe Vanessa. Das stöbere ich doch gleich mal bei Dir, denn ich mag Deine Schreiberei 🙂 Ich hab‘ beschlossen, keine Challenges mehr zu machen. Die halte ich genau 5 – na ja, vielleicht 10 – Tage durch und dann habe ich keine Lust mehr. Ich will über das was ich tue und WANN ich es tue, selbstbestimmen. Zeitfreiheit ist ein großer Wert für mich. Die Gruppe hilft mir bei der Veränderung wenig, es ist eher die innere Motivation, die mich durchhalten lässt und dann genügen auch mal 10 intensive Tage und die neue Gewohnheit wird täglich gelebt. Ich hab‘ mich lange genug schlecht gefühlt, weil ich Challenges nicht durchgehalten habe, bis ich erkannte wie ich ticke. Das muss tatsächlich jeder für sich selbst entscheiden, denn für manche ist so was durchaus hilfreich.

    Danke fürs Veröffentlichen Deiner Gedanken und liebe Grüße in die Heimat
    Marita

    1. Liebe Marita, schön, dass Du hier vorbei schaust! Das man weiß, wie man selbst tickt, ist nicht selbstverständlich. Da macht Lebenserfahrung und Selbstreflexion sicher einen großen Unterschied. Ein bisschen Nachsicht mit sich selbst kann auch nicht schaden, wenn man sich mal (in einer Challenge) verrannt hat. Wenn die Motivation nicht von innen kommt, hilft auch aber auch keine Challenge. Wer lässt sich schon gerne was sagen, was man selbst nicht umsetzen möchte. Und nur zum Trotz gibt’s darauf ein extra großes Stück Torte 😉

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